Future Health
Die Medizin der Zukunft
Neue Therapien für immunologische Erkrankungen

In Deutschland werden immer mehr immunologische Erkrankungen diagnostiziert. Aber dank moderner Medikamente, die nicht nur die Symptome behandeln, sondern an der Ursache der Erkrankungen ansetzen, kann vielen Betroffenen heute wirksam geholfen werden. Hochmoderne Medikamente wie Biologika leisten dabei einen ganz wichtigen Beitrag.
Rund sieben Millionen Erkrankte allein in Deutschland, täglich rund 100 Tote – COPD ist die dritthäufigste Todesursache weltweit 1. COPD steht für „Chronic Obstructive Pulmonary Disease“. Die Erkrankung hat viele Gesichter: Die entzündliche chronisch-obstruktive Erkrankung der unteren Atemwege plagt Betroffene mal mit ständigem Husten, mal mit vermehrt zähem Schleim oder aber mit Atemnot, obwohl die Lunge voller Luft ist. Ein besonders auffälliges Merkmal der Lungenerkrankung: COPD-Patienten sind zu 80 Prozent Langzeitraucher - fast jeder zweite Langzeitraucher bekommt COPD. Feinstäube, Industrie- und Autoabgase sowie Nanopartikel in der Luft sind für die übrigen 20 Prozent der COPD-Fälle verantwortlich.
COPD-Schübe treten plötzlich auf
Reiner S. entwickelte berufsbedingt eine schwere COPD. Ihn plagten die typischen Symptome: Atemnot und Husten mit Auswurf (kurz AHA-Symptome). Wie bei allen chronischen Erkrankungen können die Beschwerden mal stärker und mal schwächer ausfallen. Bei COPD ist das aber etwas komplexer: Durch eigentlich harmlose Faktoren wie eine Erkältung, Luftverschmutzung oder bestimmte Medikamente kann es zu einer plötzlichen massiven Verschlimmerung der Beschwerden kommen – einer sogenannten Exazerbation. Die Schleimproduktion in den Bronchien wird dann noch stärker angekurbelt, der Husten hartnäckiger, die Atemnot nimmt zu. „Ich konnte einfach nichts mehr machen. Ich konnte mich nicht mehr alleine anziehen, nicht duschen. Es ging einfach gar nichts mehr“, blickt S. zurück.
COPD kann mit inhalativen Medikamenten, also mit Sprays zum Einatmen, behandelt werden. Für eine bestimmte Patientengruppe können auch moderne Therapien, sogenannte Biologika, in Frage kommen. Bei allen Patienten spielen nicht-medikamentöse Maßnahmen wie zum Beispiel die Rauchentwöhnung eine große Rolle. Dadurch kann sich die Lebensqualität von Menschen mit COPD verbessern. Auch Reiner S. konnte behandelt werden: „Ich konnte wieder ohne Atemnot aufstehen, ich konnte wieder baden. Es war einfach toll! Ich habe wieder Lebensmut bekommen“, beschreibt der 76-jährige seinen Zustand, der bis heute anhält.
Gezielte Eingriffe in die Krankheitsmechanismen
Biologika versprechen neue Behandlungsmöglichkeiten bei schweren Erkrankungen: Antikörper, Proteine oder Enzyme greifen gezielt in die krankheitsauslösenden Prozesse ein. Im Gegensatz zu herkömmlichen Medikamenten handelt es sich um komplexe Proteine, die bestimmte Prozesse im Immunsystem beeinflussen können. Dadurch hat sich die Behandlung immunologischer Erkrankungen grundlegend gewandelt – von der reinen Symptomkontrolle hin zu zielgerichtetem Ansetzen an den Krankheitsmechanismen. Diese Entwicklung gibt Millionen von Betroffenen Hoffnung auf ein Leben mit weniger Einschränkungen und höherer Lebensqualität. Die Biopharmazeutika bekämpfen die Ursache der Erkrankung und sind in der Regel besser verträglich. Und da einigen immunologischen Erkrankungen die gleichen krankheitsauslösenden Mechanismen zugrunde liegen, lassen sich in manchen Fällen mehrere Leiden mit demselben Medikament behandeln. Verschiedenen Hauterkrankungen wie der Neurodermitis oder der Prurigo nodularis, einer chronischen Erkrankung mit stark juckenden Knoten in der Haut, aber auch Erkrankungen der Atemwege wie COPD, Asthma oder einer chronischen Entzündung der Nasennebenhöhlen mit Bildung von Nasenpolypen sowie einer Entzündung der Speiseröhre liegt die Typ-2-Inflammation zugrunde. Dabei handelt es sich um eine überschießende Immunreaktion des Körpers, bei der spezielle „Botenstoffe“ übermäßig produziert werden. Diese Botenstoffe sind wie Alarmsignale, die wiederum andere Immunzellen aktivieren.

Das Problem entsteht, wenn dieser Alarm zu oft und zu laut losgeht, obwohl keine wirkliche Gefahr besteht. Diese anhaltende Fehlreaktion führt zu chronischen Entzündungen in verschiedenen Geweben und Organen.
Moderne Therapieansätze geben Hoffnung
Asthma ist neben COPD die zweite am weitesten verbreitete chronische Atemwegserkrankung. Beim Asthma bronchiale kommt es durch eine anhaltende Entzündung zur Verengung der Bronchien. Diese führt zu einer eingeschränkten Luftzirkulation und verursacht Symptome wie Husten, Atemnot und Keuchen. Die genauen Ursachen der Erkrankung sind noch nicht vollständig geklärt, jedoch spielen sowohl genetische Veranlagung als auch Umweltfaktoren eine Rolle. Allergien, Luftverschmutzung, Tabakrauch und bestimmte Virusinfektionen erhöhen das Risiko, an Asthma zu erkranken. „Ich konnte aufgrund meiner Allergien zum Beispiel meinen Lehrberuf nicht mehr ausüben. Mit Menschen, die Tiere besitzen, in einem Raum zu sein, ging einfach nicht. Also bin ich aus dem Schuldienst ausgeschieden“, erklärt Christine, die seit ihrem vierten Lebensjahr Asthma hat. Ein gesunder Lebensstil mit regelmäßiger Bewegung, Vermeidung von Asthmaauslösern und Nichtrauchen kann helfen, die Symptome zu lindern. Besonders bei Menschen mit schwerem Asthma habe die Medizin große Fortschritte gemacht, resümiert die Lungenfachärztin Prof. Dr. Korn. „Wir haben sie lange Zeit nur mit Kortisontabletten behandeln können, was sehr viele Nebenwirkungen verursacht. Jetzt haben wir ganz spezifische Therapien, die helfen, dass sich das Asthma verbessert, und zwar deutlich mehr als das, was wir in den letzten Jahren so erreichen konnten.“ Von einem solchen modernen Ansatz hat auch Christine profitiert. „Durch die Therapie hat sich für mich eine neue Welt geöffnet. Ich kann meinen Sozialkontakten wieder nachgehen und meine Beziehungen pflegen“, berichtet die 56-Jährige.


Simulationen mit virtuellen Patienten
Inzwischen wird in der Immunologie nicht nur untersucht, wie das Immunsystem gezielt zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden kann, sondern auch zur Vorbeugung. Die Forschung und Entwicklung unterstützen virtuelle Patienten. Diese simulieren unter anderem auf Basis früherer klinischer Studien biologische Vorgänge und ermöglichen eine frühzeitige Bewertung neuer Wirkstoffkandidaten.
In virtuellen Patienten können etwa bei Erkrankungen wie Asthma relevante Zelltypen und Proteine modelliert werden, um die Wirkung potenzieller Therapien auf Entzündungen und Lungenfunktion zu analysieren. Zudem kann mit sogenannten „digitalen Zwillingen” überprüft werden, wie sich ein Wirkstoff auf bestimmte Zytokine, also Botenstoffe des Immunsystems, auswirken könnte, um Entzündungen zu kontrollieren und Auswirkungen auf den Körper, zum Beispiel auf die Lungenfunktion zu bewerten. Die Modelle werden kontinuierlich mit anonymisierten Studiendaten aktualisiert. So könnte künstliche Intelligenz mit Deep Learning künftig dabei helfen, noch komplexere Krankheitsverläufe detailliert zu simulieren, besser zu verstehen und dadurch gut zu behandeln.
Quelle: 1 OECD/European Observatory on Health Systems and Policies (2021), State of Health in the EU. Deutschland: Länderprofil Gesundheit 2021. Online verfügbar unter https://health.ec.europa.eu/system/files/2021-12/2021_chp_de_german.pdf