Perspektiven – eine Serie über die wichtigsten Themen unserer Zeit
Teil 7:
Gebäude unter Leistungsdruck
Wie werden Werkhallen und Bürotürme zukunftssicher?
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Eine Initiative von:
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Steigende Energiepreise und neue EU-Vorgaben zwingen die Besitzerinnen und Besitzer von Gewerbeimmobilien zum Umdenken: Bis 2050 soll der Energieverbrauch drastisch sinken. Welche Maßnahmen können kurzfristig umgesetzt werden und wie lassen sich Büro- und Werksgebäude nicht nur effizient, sondern auch kostengünstig sanieren?
Auf die Eigentümer und Verwalter von Gewerbeimmobilien kommen neue Herausforderungen zu. 2024 hat sich die Europäische Union auf eine Novellierung der Gebäuderichtlinie EPBD geeinigt. Feste Werte für die zu erreichende Gebäudeeffizienz bei Gewerbeimmobilien sind in der Endfassung jedoch nicht vorgesehen. „Als Zielwert wird in Deutschland ein Primärenergieverbrauch für Wärme und Strom von 85 Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter angestrebt“, erläutert Robert Kitel, Experte für Nachhaltigkeit bei der Hamburger Firma Alstria Office REIT, einem der größten Manager von Büroimmobilien in Deutschland. Der Zielwert soll bei neuen Gewerbeimmobilien ab 2030 erreicht werden. Für Bestandsgebäude ist dies für 2050 vorgesehen. Den angestrebten Wert erreichen heute wahrscheinlich weniger als fünf Prozent der Bürogebäude, schätzt Kitel.
Mit einfachen Maßnahmen lassen sich die Verbrauchswerte aber bereits deutlich senken. Eine wirksame Methode besteht etwa darin, die Informationstechnologie so weit wie möglich an ein externes Datenzentrum auszulagern. Mit der Nutzung dieses Cloud Computing kann der Stromverbrauch laut Kitel oft um die Hälfte gesenkt werden. Hilfreich sei ebenfalls der Verzicht auf Lüftungs- und Klimaanlagen. „Viele Banken und Investoren fordern, auf überflüssige Technik zu verzichten“, hat Anke Koch beobachtet, Geschäftsführerin der Firma ibak Hamburg. Koch befasst sich damit, die Energieeffizienz und den ökologischen Fußabdruck von Gebäuden zu ermitteln. Auch die Nutzung von Wasser- und Batteriespeichern sowie der Einsatz alternativer Energiequellen wie Geothermie und Abwasserabwärme können laut Koch dazu beitragen, den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren.
Explodierende Energiepreise waren Anlass zum Handeln
Die ehrgeizigen Ziele der neuen Gebäuderichtlinie lassen sich aber oft nur mit einer aufwendigen Kernsanierung erfüllen. Ein Beispiel ist das Büro- und Wohngebäude in der Maxstraße im Hamburger Stadtteil Eilbek, wo auf zwei Etagen ein moderner Co-Working-Space entstanden ist. Als die Energiepreise 2022 infolge des Ukrainekrieges in die Höhe schossen, wurde klar, dass das schlecht isolierte Gebäude aus den 1960er-Jahren von Grund auf saniert werden muss. Der Investor Sami Steinbach ließ die Außenwände und die Kellerdecke dämmen. Es wurden Fenster mit Dreifachverglasung eingebaut und die Heizkörper und Beleuchtungen ausgetauscht. Zusätzlich wurde auf dem Dach eine Solaranlage mit einer Fläche von 300 Quadratmetern installiert. Sie liefert unter anderem den Strom für die beiden Wärmepumpen, mit denen das Gebäude beheizt wird.
„Acht Monate im Jahr sind wir energieautark. Nur in der kalten Jahreszeit müssen wir Strom zukaufen. Ich bin inzwischen heilfroh, dass wir weder von Erdgas noch von Fernwärme abhängig sind“, sagt Steinbach, der zugleich Chef der Hamburger Immobilienfirma Angermann ist. Die Kosten der gesamten Sanierungsarbeiten betrugen rund 2.500 bis 3.000 Euro je Quadratmeter. Das Gebäude erfüllt jetzt die Anforderungen des Effizienzstandards KfW-Haus 40. „Wir konnten daher eine öffentliche Förderung beantragen“, erläutert Steinbach.
Ganz ähnlich hat die Firma Worlée eine energetische Kernsanierung ihrer Zentrale in Hamburg-Billbrook begonnen. Das Unternehmen produziert und veredelt Rohstoffe für zahllose Anwendungen, von Kunstharzen für die Farben- und Lackindustrie über Vorprodukte für Kosmetika bis zu getrockneten Früchten, Pilzen, Nüssen und anderen Zutaten für Lebensmittel, Getränke und Tierfutter. Das zu sanierende Objekt ist ein kombiniertes Büro- und Produktionszentrum, das 1990 erbaut worden ist. Die großzügig gestalteten Fensterflächen wirkten sich sehr negativ auf die Energieeffizienz aus.
Seit Anfang 2024 hat Worlée 395 alte Fenster gegen Wärmeschutzverglasung ausgetauscht. Überdies werden circa 3.000 Quadratmeter Außenwände gedämmt, sodass der Wärmebedarf voraussichtlich um 55 Prozent reduziert werden kann. „Wir haben bereits vor der Sanierung Fernwärme genutzt“, erläutert der geschäftsführende Gesellschafter Reinhold von Eben-Worlée. Sie wird CO2-neutral von einer Müllverbrennungsanlage geliefert, die sich in unmittelbarer Nähe befindet. Zudem hat Worlée die Deckenbeleuchtung durch energiesparende LED-Lampen ersetzt. Den Strom liefert eine Solaranlage auf dem bereits gedämmten Teil des Daches, die über eine Spitzenleistung von 154 kWp verfügt. Die Anlage soll erweitert werden, nachdem die Dachflächen des anliegenden Lagers ebenfalls erneuert wurden. Dann wird rechnerisch kein extern produzierter Strom mehr benötigt.



Vergünstigter KfW-Kredit hilft bei Finanzierung
Da das Gebäude künftig die Anforderungen eines KfW-Effizienzhauses 40 erfüllen wird, gewährte die Förderbank einen vergünstigten Kredit, mit dem rund 20 Prozent der Investitionen von 4,9 Millionen Euro gedeckt werden können. „Unter rein kaufmännischen Kriterien wäre die Sanierung nicht zu rechtfertigen“, sagt von Eben-Worlée. Das Unternehmen habe sich jedoch zum Ziel gesetzt, bis 2030 in den Scopes 1 und 2 klimaneutral zu werden. Zudem steige aufgrund der Sanierung die Zufriedenheit der Beschäftigten, etwa weil sich das Raumklima in den Innenräumen merklich verbessert hat. Nicht zuletzt lässt sich der ökologische Fußabdruck des Gebäudes um 133.000 Tonnen CO2 pro Jahr reduzieren.
Mit der verbesserten Ökobilanz steigt außerdem der Marktwert der Immobilie. Doch eine zuverlässige CO2-Bilanzierung ist nicht ganz einfach. Das Problem stellen nicht die Methoden dar. „Für die Berechnung des ökologischen Fußabdrucks eines Gebäudes gibt es mittlerweile erprobte Tools“, erläutert ibak-Geschäftsführerin Koch. Die Schwierigkeit bestehe vielmehr darin, zuverlässige Daten zu bekommen. Dies ist vor allem bei CO2-intensiven Baustoffen wie Beton der Fall. „Hier gibt es innerhalb derselben Gütekategorie erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Produzenten. Enorme Abweichungen bestehen überdies zwischen den verschiedenen Betonwerken desselben Herstellers“, erläutert Koch. Die Firma ibak verwendet daher produktspezifische Environmental Product Declarations, die solche Unterschiede berücksichtigen.
Nicht erfassen lassen sich bei der Ökobilanzierung bislang die Emissionen, die auf den Baustellen entstehen. Hierzu sind noch keine belastbaren Daten verfügbar. Eine weitere Fehlerquelle stellt der künftige Energieverbrauch einer neuen Immobilie dar. Denn der hängt stark vom Nutzerverhalten ab, das sich nicht exakt vorhersagen lässt. Ibak sieht sich daher gern die Verbrauchsdaten zwei Jahre nach der Inbetriebnahme eines neuen Gebäudes an. Die novellierte EU-Richtlinie zur Gebäudeeffizienz stellt Bauherren, Eigentümer und Immobilienverwalter in der Tat vor herausfordernde Aufgaben.
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