Perspektiven - eine Serie über die wichtigsten Themen unserer Zeit
Teil 5:
Der Aufbruch aus dem Wirtschaftstief
Wie Unternehmen ausgetretene Pfade verlassen und neuen Erfolg finden
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Eine Initiative von:
Eine spontane Eingebung, ein sehnlicher Wunsch oder eine kühle Analyse: Viele Wege führen zu innovativen Geschäftsideen. Wichtig ist: offen für Neues sein, den Austausch suchen, die Chancen ergreifen und nicht darauf warten, bis eine wirtschaftliche Zwangslage entsteht.
So gut und überzeugend sie auch sein mögen: Manchmal funktionieren Ideen einfach nicht wie geplant. So erging es dem Start-up Phaeosynt aus Hannover, das 2025 einen veganen Schwangerschaftstest auf den Markt bringen will. Eigentlich war gar nicht geplant, einen solchen Test selbst herzustellen. Phaeosynt wollte ursprünglich nur eine Alternative zu den tierischen Proteinen anbieten, auf denen Schwangerschaftstests, Corona-Tests und Co. basieren. „Dafür verwenden wir Kieselalgen, die genauso gut funktionieren wie ihre tierischen Pendants, für deren Gewinnung massenhaft Tiere gequält werden“, sagt Stephanie Pfeil-Coenen, CEO und Geschäftsführerin des Spin-offs der Leibniz Universität Hannover. Eine gute Idee, aber der Markt entschied anders. Die potentiellen Abnehmer in der Industrie waren skeptisch. „Da hat man als Start-up zwei Möglichkeiten: Entweder man beerdigt die Idee als nettes Uni-Projekt. Oder man wendet sich an die Konsumentinnen und Konsumenten, die dann wiederum die Industrie zum Umdenken zwingen“, sagt Pfeil-Coenen. Aber womit? Phaeosynt suchte strategisch nach der passenden Nische. Welches Produkt im Drogeriemarkt war noch nicht vegan? Der Schwangerschaftstest.
Eingefahrene Wege verlassen
Der wirtschaftliche Erfolg steht noch aus, aber das Beispiel zeigt, wie sich Unternehmen verändern können, wenn getroffene Annahmen nicht mehr stimmen. Für Professorin Marina Schröder liegt das Geheimnis der Innovation in der Bereitschaft, sich von eingefahrenen Verhaltensmustern zu verabschieden. „Die Forschung zeigt, dass es gerade für sehr innovative Ideen schwer ist, die notwendige finanzielle Unterstützung für die Realisierung zu generieren.“ Zusammenarbeit und Austausch in vielfältigen Teams – das brauchten Unternehmen vor allem, um Veränderung voranzutreiben, sagt die Professorin am Institut für Innovationsökonomik der Leibniz Universität Hannover. „Damit meine ich nicht nur Geschlechtervielfalt, sondern im Allgemeinen Menschen, die unterschiedliche Erfahrungen und unterschiedliches Wissen mitbringen.“
Flexibel auf Marktverschiebungen reagieren
Auch die Wirtschaftsgenossenschaft deutscher Tierärzte (WDT) – als Basisversorger der deutschen Tierärzteschaft befindet sich im Wandel, berichtet der Vorstandsvorsitzende Olaf Assenheimer. Mit einem Mitgliederbestand von 8.000 Tierärzten in der Genossenschaft beliefert die WDT rund 90 Prozent aller Tierärzte in Deutschland. Das klingt nach einem sicheren Geschäft, doch der Markt verändert sich. So hatte sich ein konkurrierender Großhändler entschieden, die Logistik nicht mehr selbst zu betreiben, sondern auszulagern. „Davon haben wir stark profitiert, denn Logistik inklusive Lagerung und Versand von Betäubungsmitteln, Kühlwaren, Gefahrstoffen und Medikamenten ist eine unserer Kernkompetenzen“, sagt Assenheimer. Marktverschiebungen ergäben sich auch durch Praxisketten, da sich junge Tierärzte oft gegen die Selbständigkeit und für eine Anstellung entschieden. „Deshalb müssen auch wir uns ständig weiterentwickeln, um attraktive Produkte und Dienstleistungen anbieten zu können“, so Assenheimer. Dazu gehören ein erweitertes Produktportfolio und der Direkteinkauf auch bei großen außereuropäischen Herstellern, aber auch Dienstleistungen, die bei der Gründung und Führung einer Tierarztpraxis unterstützen. Die WDT berät in Finanzierungsfragen und beim Gerätebedarf und bietet inzwischen auch die von einer Tochtergesellschaft entwickelte Praxissoftware vetat.work an. Und KI? „Wir haben KI-unterstützte Roboter in der Logistik im Einsatz und einige Anwendungen in der Testphase, probieren viel aus und versprechen uns von dieser Technologie große Vorteile, zum Beispiel in der Disposition und in der Ausbildung“, sagt Assenheimer.
Wenn Eigenbedarf die Marktlücke offenlegt
Wie man zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell kommen kann, ohne es wirklich gesucht zu haben, zeigt ein anderes Beispiel. Anfang der Nullerjahre fehlte dem damaligen Musiker und heutigen Unternehmer Aris Diamantidis eines zu seinem Glück: ein guter Tourbus, um Band und Equipment zu den Live-Auftritten zu transportieren. Darin sollte man nicht nur bequem sitzen, sondern auch Instrumente und Lautsprecher unterbringen können. Und weil es so etwas bei den Autovermietern nicht gab, baute Diamantidis einen Mercedes Sprinter nach seinen Vorstellungen um. Bald mieteten auch andere Musiker das Fahrzeug, plötzlich standen aber auch Aufträge für andere Umbauten ins Haus, zunehmend für Sozialträger und den Rollstuhltransport. Ein Geschäftsmodell war geboren und bald auch die 2005 gegründete Firma EVSdeutschland, die heute mit dem Umbau und der Vermietung von Nutzfahrzeugen sowie Speziallogistik Millionenumsätze macht. Seit 2007 als geschäftsführender Gesellschafter dabei ist Eike Tongers, selbst Musiker und einer der ersten Mieter des ersten Tourbusses.
Vernetzung mit Kapitalgebern oder Beratern
Strategische Flexibilität und Mut sind gute Voraussetzungen für Erfolg. Doch oft brauchen Unternehmen zusätzliche Unterstützung – in Form von Geld und Beratung. Phaeosynt zum Beispiel wurde vom Land Niedersachsen gefördert, hatte zuvor aber auch mehrere Start-up-Wettbewerbe gewonnen. Insbesondere erhielt das Jungunternehmen im März 2023 den „Startup-Impuls“ von Hannoverimpuls, der gemeinsamen Wirtschaftsförderungsgesellschaft von Stadt und Region Hannover, in der Kategorie „Hochschul-Start“. „Wir unterstützen und begleiten Start-ups und bestehende Unternehmen dabei, innovative Ideen zu entwickeln und neue Geschäftsmodelle zu schaffen“, sagt Doris Petersen, Geschäftsführerin von Hannoverimpuls. Dabei wird zum einen auf den Einsatz neuer Technologien wie Künstliche Intelligenz gesetzt. „KI wird in vielen Branchen über die Wettbewerbsfähigkeit entscheiden, deshalb bieten wir das Format ‚KI-Pioniere‘ an“, so Petersen. Zum anderen geht es bei Hannoverimpuls auch um Vernetzung. Denn Start-ups und etablierte Unternehmen können viel voneinander lernen.
Und schließlich kann auch die Politik etwas beitragen, um den Gründergeist und den Transformationswillen zu stärken. Lars Baumann, Dezernent für Personal, Digitalisierung und Recht der Stadt Hannover und Professor für Verwaltungsinformatik, hat dazu eine klare Meinung: „Die Politik sollte wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen setzen und eine Wirtschaftsförderung mit Beratung, Fortbildung und Vernetzung bieten oder diese unterstützen. So haben wir es mit Hannoverimpuls und unserem Fachbereich Wirtschaft umgesetzt, wo wir all das bündeln.“ Vor allem die Vernetzung von Unternehmen mit Kapitalgebern oder Beratern, die sich bereits im Innovationsprozess bewährt haben, sei dabei wichtig. „Hier kann die Politik als Vermittler wirken. Aus den kreativen Prozessen der Ideenfindung sollten wir uns heraushalten. Das können die Start-ups und die Unternehmen selbst am besten.“
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