Weltweit sind Billionen, in Deutschland immerhin noch viele Milliarden Euro nötig, um in den nächsten Jahren die Wende zur Klimaneutralität zu schaffen. Was nach einem Kraftakt klingt, lässt sich in viele kleine Schritte aufteilen, die jedes Unternehmen
in seinem eigenen Tempo gehen kann. Wichtig ist nur eines: Irgendwann muss man loslaufen.
In Sachen Nachhaltigkeit ist Markus Valet schon lange unterwegs. Im Vergleich zu anderen Unternehmern hat er zudem einen Vorsprung, den ihm die Vorarbeit mehrerer Generationen eingebracht hat. „Die Nachhaltigkeit ist seit Jahrzehnten Teil unserer
DNA. Wir waren schon nachhaltig, als es den Begriff noch gar nicht gab“, sagt der Geschäftsführer von Retterspitz. Seit 120 Jahren existiert die Marke bereits, deren Produkte bis 2022 ausschließlich in Apotheken erhältlich waren. Neben bekannten
Klassikern wie „Retterspitz Äußerlich“ und „Retterspitz Innerlich“ stellt das Unternehmen aus Schwaig, wenige Kilometer östlich von Nürnberg, mittlerweile auch Produkte für Anti-Aging, Körperpflege und Wellness her.
Für Valet, der Retterspitz gemeinsam mit seinem Bruder Florian in vierter Generation führt, ist Nachhaltigkeit eine Frage der Einstellung und umfasst viele Aspekte, die aber nicht alle gleichzeitig angegangen werden müssen. „Wir haben schon immer
darauf geachtet, dass unsere Lieferketten möglichst regional sind, wobei wir das im europäischen Kontext verstehen“, erklärt er. Ätherische Öle oder Rosmarin und Thymian gibt es in diesen Breiten nicht in ausreichender Menge und Qualität,
deshalb kommen sie bei Retterspitz aus mediterranen Anbaugebieten. Aber auch Produktion, Verpackung und Transport der Retterspitz-Produkte bieten viel Potential für Nachhaltigkeit. „Deshalb erzeugen wir seit einiger Zeit mit Photovoltaik und
Solarthermie selbst erneuerbare Energien, haben unseren Fuhrpark teilweise elektrifiziert und für die Verpackungen einen Papierhersteller gefunden, der dasselbe Verständnis von Qualität und Nachhaltigkeit hat wie wir selbst“, sagt Valet.
Viele warten noch an der Startlinie. Aber warum eigentlich?
Was für das fränkische Traditionsunternehmen eine Selbstverständlichkeit ist, müssen viele andere Unternehmen erst noch angehen, und dass sie sich auf den Weg machen müssen, steht außer Frage. Der Startschuss ist längst gefallen. Der Physiker
Dr. Jens Hauch macht drei Dinge klar, die jedes Zögern seltsam erscheinen lassen. Der Klimawandel ist erstens real, das zeigt nicht zuletzt der aktuelle Klimawandelreport des Intergovernmental Panel on Climate Chance (IPCC) von 2023.
Daraus geht zweitens hervor, dass der Klimawandel menschengemacht ist – vor allem von den Industrienationen – und drittens zu einem großen Teil durch Energie verursacht würde. „Schon aus einer wissenschaftlichen Perspektive ist klar,
dass wir nicht weitermachen können wie bisher“, sagt Hauch, Leiter der Abteilung Erneuerbare Energien am Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg und geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Kompetenznetzwerks ENERGIEregion Nürnberg e.
V.
Wiebke Merbeth, Partnerin bei Deloitte, Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung
Die Mehrheit der Unternehmen steht aber noch am Anfang. Laut einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung gibt nicht einmal die Hälfte der Befragten aus der Realwirtschaft an, dass das Thema „voll und ganz“ oder „überwiegend“ im Unternehmen verankert
sei. Immerhin ist laut Umfrage bei den meisten der Vorstand für das Thema verantwortlich. Warum es an der Verankerung in den Unternehmen mangelt, liegt der Umfrage zufolge daran, dass zentrale Hebel ungenutzt blieben: In fast drei Viertel
der Unternehmen sei die Vergütung der Mitarbeitenden nicht an das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen geknüpft.
Suchen Sie sich Leute, die dafür brennen. Das sind diejenigen, die für Sie spannende und zukunftsträchtige Lösungen finden werden.
Jens Hauch
Aber erreicht man über die finanzielle Schiene, dass jede und jeder im Unternehmen mitzieht? Für Jens Hauch liegt mindestens ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor an anderer Stelle. Für ihn ist wichtig, dass das Thema Nachhaltigkeit nicht nur
zur Aufgabe, sondern zur Mission eines damit betrauten Mitarbeitenden wird. Sein Rat an die Unternehmen: „Suchen Sie sich Leute, die dafür brennen. Das sind diejenigen, die für Sie spannende und zukunftsträchtige Lösungen finden werden.“
Für die nachhaltige Transformation gibt es zahlreiche Förderungen
Genau diese Person hat Frank Sperber, Geschäftsführer des Werbemittelherstellers Elasto, kürzlich eingestellt: „Bei einer Größe wie der unseren kann man das Thema nicht mehr nebenbei verfolgen. Natürlich ist eine externe Lösung auch eine Option,
aber wenn sich jemand intern das ganze Jahr über damit beschäftigt, wird Nachhaltigkeit im Unternehmen ganz anders gelebt“, sagt er. „Es muss in den Köpfen passieren: Ich fahre selbst ein Elektroauto und kann deshalb unseren Außendienstlern,
die viele lange Strecken fahren müssen, mit gutem Gewissen sagen, dass das funktioniert.“
Leitfaden für den Mittelstand
1. Überblick verschaffen
2. Bauliche Maßnahmen umsetzen
3. Fördermittel in Anspruch nehmen
4. Den Fuhrpark elektrifizieren
5. Die Mitarbeitenden mit ins Boot holen
Auch Elasto gehört zu den Unternehmen, die in Sachen Nachhaltigkeit bereits voll auf Kurs sind. Bereits vor 15 Jahren wurde die erste Photovoltaikanlage installiert, kürzlich eine neue Logistikhalle mit 6000 Quadratmeter Fläche gebaut. Nach
ersten Planungen seien weitere Nachhaltigkeitsstandards berücksichtigt worden, die den Bau zwar deutlich verteuert hätten, so Sperber. Zum Beispiel wurde eine Heizung eingebaut, die nicht auf fossilen, sondern auf erneuerbaren Energien
aus Holzhackschnitzeln basiert: „Dafür konnten wir aber eine Reihe von Fördertöpfen anzapfen, und das kann ich jedem Unternehmen nur empfehlen“, erzählt er begeistert.
Hier schließen sich Unternehmen in Netzwerken zusammen, um sich gegenseitig zu unterstützen und voneinander zu lernen.
Marlene Kuschmann
Die Chancen, die solche Förderungen bieten, können gerade Mittelständlerinnen und Mittelständler aber auch davon abhalten, sich auf den Weg einer nachhaltigen Transformation zu machen. Dafür sorgen nicht nur die vielen möglichen Maßnahmen
zur Steigerung der Nachhaltigkeit, ein steter Strom an relevanten neuen Verordnungen und Gesetzesänderungen, sondern auch eine enorme Anzahl an Fördermaßnahmen. Zu viele Optionen können zur Angst führen, sich falsch zu entscheiden, kein
Wunder, schließlich geht es oft um teure und langfristig angelegte Projekte. Glücklicherweise gibt es viel Unterstützung in solchen Fragen.
Perspektiven in 3 Fragen:
Oliver Jainta, Vize Geschäftsführender Gesellschafter, BUILD.ING Consultants + Innovators GmbH
Dr. Jens Hauch, Abteilungsleiter am Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien, Geschäftsführender Vorstand, ENERGIEregion Nürnberg e.V.
Auf regionaler Ebene agieren beispielsweise Vereine wie die ENERGIEregion Nürnberg, die in der Metropolregion Unternehmen, Forschungseinrichtungen, öffentliche Institutionen und Organisationen vernetzt, um die grüne Transformation voranzutreiben.
Auch die bundesweite Initiative Energieeffizienz- und Klimaschutz-Netzwerke setzt auf den Austausch zwischen den Unternehmen selbst, erklärt Marlene Kuschmann, Seniorexpertin Energieeffizienz bei der Deutschen Energie-Agentur, kurz Dena.
„Hier schließen sich Unternehmen in Netzwerken zusammen, um sich gegenseitig zu unterstützen und voneinander zu lernen.“ Mehr als 2000 Betriebe aller Größen und Branchen aus ganz Deutschland sind bereits in 250 solcher Netzwerke registriert,
weitere 350 sollen bis 2025 folgen. Hinzu kommen fachkundige Energieberater oder spezialisierte Beratungsunternehmen.
Wer sich auf den Weg machen will, hat ein besseres Gefühl, wenn die Richtung bekannt ist und die ersten Schritte begleitet werden. Deshalb sind Beratung und Erfahrungsaustausch, die zu den richtigen Ideen, guter Planung und passender Förderung
führen, das, was vielen Mittelständlerinnen und Mittelständlern beim Start in die nachhaltige Zukunft helfen kann.
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Die Sparkassen – Partner vor Ort bei Investitionen in die betriebseigene Energiewende
Viele Unternehmen stehen somit vor großen Herausforderungen – zum einen gilt es, die gestiegenen Energiekosten zu bewältigen, zum anderen, die Weichen beim Thema Energie neu zu stellen, sei es, um Energie zu sparen oder zu einer nachhaltigeren
Energieversorgung zu kommen. Die Sparkassen bieten sich als Partner vor Ort an, um Betriebe bei Investitionen zu unterstützen, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten und über Fördermöglichkeiten etwa der Kreditanstalt für Wiederaufbau zu
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