Gas für die Gegenwart, grüner Wasserstoff für die Zukunft
Für Frank Schnabel erfüllt sich damit ein lang gehegter Wunsch. Der Chef der Brunsbüttel Ports hat seit mehr als zehn Jahren versucht, in der Politik Unterstützung für die Idee eines LNG-Terminals in Brunsbüttel zu finden – mit mäßigem Erfolg.
Plötzlich ging es jedoch ganz schnell. Ein neues Gesetz des Bundes habe es ermöglicht, „dass Genehmigungsprozesse zügig ablaufen und zu einem rechtssicheren Abschluss gebracht werden können“. Dabei sei die derzeit im Eiltempo aufgebaute
neue Infrastruktur mehr als nur eine Notlösung aufgrund der entfallenen Gaslieferungen aus Russland: „Über die Energie-Import-Infrastruktur in Brunsbüttel sollen zunächst LNG und später auch grüne Energieträger importiert werden, die Erdgas
in der Industrie zukünftig ersetzen und zur Dekarbonisierung der Industrie beitragen werden“, blickt Schnabel in die Zukunft. Teile der technischen Anlagen des Terminals können hierzu umgebaut und angepasst werden. „Die Zielsetzungen, die
Gegenwart mit Gas zu gestalten und die Zukunft mit grünem Wasserstoff zu entwickeln, werden somit in dem entstehenden Multi-Energie-Terminal ideal miteinander vereint“, sagt der Manager. Das mache Brunsbüttel „zu einem echten Energiestandort
der Zukunft“.
Kontrollierte Stromabschaltungen nicht ausgeschlossen
In Brunsbüttel und Wilhelmshaven entstehen die ersten Terminals für LNG, weitere drei werden folgen. Aber LNG ist nur einer der Energieträger im künftigen Mix – daneben vor allem Windkraft, Solarenergie, aber auch weiterhin, jedenfalls vorübergehend,
Kohle und Kernkraft.
Werden diese Bemühungen ausreichen, um die energieintensive Wirtschaft am Laufen und die Wohnungen im Winter warm zu halten? Wie ernst ist die Lage? Auf die Frage hört man aus Experten-kreisen Widersprüchliches.
Deutschland habe neben Italien das größte Energieversorgungsrisiko in der Gruppe der G7-Staaten, warnte der Weltenergierat im Sommer 2022. Immerhin: Das Risiko sinke mit dem Abbau der Abhängigkeit von Russland drastisch. Anfang Oktober ging
die Nachricht durch die Medien, dass die EU-Kommission für die kommenden Monate Stromausfälle in Europa nicht ausschließt und sich auf entsprechende Szenarien vorbereitet. Andererseits gaben die vier großen Übertragungsnetzbetreiber,
die den Strom durch Deutschland fließen lassen, gegenüber dem Wissenschaftsmagazin „Spektrum“ Entwarnung: Es drohten keine unkontrollierten Blackouts, allerdings seien kontrollierte Abschaltungen – „Lastabwurf“, sagen die Fachleute –
nach Ankündigung denkbar.
Die Wirtschaft reagiert auf die unsichere Lage: Einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) unter 3500 Unternehmen zufolge will jeder sechste Industriebetrieb (16 Prozent) die Produktion herunterfahren, die Hälfte
hat schon damit begonnen. Von den energieintensiven Unternehmen ist es fast jedes dritte. Ähnlich ergab eine Befragung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) im September, dass jedes zehnte Unternehmen die Produktion bereits gedrosselt
habe; zudem geben die Manager mehrheitlich die steigenden Energiepreise als aktuell größte Herausforderung im Management an. Bedenklich: Investitionen in ökologische Optimierung stellen Unternehmen eher zurück, als dass sie sie beschleunigen.
Unternehmen drosseln ihre Produktion
Die Wirtschaft reagiert auf die unsichere Lage: Einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) unter 3500 Unternehmen zufolge will jeder sechste Industriebetrieb (16 Prozent) die Produktion herunterfahren, die Hälfte hat schon
damit begonnen. Von den energieintensiven Unternehmen ist es fast jedes dritte. Ähnlich ergab eine Befragung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) im September, dass jedes zehnte Unternehmen die Produktion bereits gedrosselt habe;
zudem geben die Manager mehrheitlich die steigenden Energiepreise als aktuell größte Herausforderung im Management an. Bedenklich: Investitionen in ökologische Optimierung stellen Unternehmen eher zurück, als dass sie sie beschleunigen.
Diverse Hilfsprogramme der Bundesregierung sollen die Unternehmen und Bürger entlasten. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) vergibt Kredite im Gesamtvolumen von bis zu 100 Milliarden Euro als Liquiditätshilfe, weitere 50 Milliarden Euro
enthält ein Topf für das Energiekostendämpfungsprogramm, das seit September auch für mittelständische Unternehmen offensteht. Abrufbar sind die KfW-Fördermittel über Banken und Sparkassen.
Ein Start-up setzt auf Methanol als einen der Energieträger von morgen
Ordnet man Kohle den Energieträgern von gestern, LNG denen von heute zu und klammert die international völlig unterschiedlich bewertete Atomkraft aus, dann zählen „grüner“ Wasserstoff und Methanol oder Methylalkohol zu den Energieträgern von morgen.
Auf synthetische Kraftstoffe aus Methanol setzt beispielsweise das 2020 gegründete Start-up vivevo energy bei Brunsbüttel. Vivevo-Geschäftsführer Gerold Neumann zählt die Vorteile der chemischen Verbindung auf: Methanol könne Flüssigkraftstoffe
schnell ersetzen und eigne sich zudem als chemischer Grundstoff für Produkte, die auf Alkohol basieren.
Zu Herstellung lasse sich überwiegend CO2 aus Industrieprozessen verwenden, das sowieso noch einige Jahrzehnte lang in der Zementproduktion oder der Müllverbrennung anfalle. Der für die Produktion von Methanol benötigte Wasserstoff
könne mit erneuerbaren Energien erzeugt werden. Bei Brunsbüttel soll 2025 die erste Produktionsanlage stehen, derzeit laufen Gespräche mit Investoren. Der Physiker und promovierte Werkstoffwissenschaftler Neumann ist zuversichtlich:
„Schon unser erster Abnehmer könnte mehr brauchen als die 50 000 Tonnen, die wir jährlich produzieren können.“ Das entspreche aber auch nur der Menge, die ein großes Containerschiff in einem Jahr verbrenne. Somit werde es, wenn alles nach
Plan läuft, nicht bei einem Produktionsstandort bleiben.
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