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Im Osten stets was Neues

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Debrecen

Die kleine Schwester von Budapest liegt zwar mitten in der weiten Puszta – von verschlafen ist jedoch keine Rede: Debrecen will nicht aufhören, sich neu zu erfinden. Deswegen macht es so viel Spaß, diese Weltstadt im Miniaturformat zu erkunden ...

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Die zweitgrößte Stadt Ungarns schält sich nicht etwa allmählich aus der flachen Steppe – Debrecen schießt plötzlich und in voller Pracht aus der Puszta! Das überrascht allerdings nur, wenn man über Land in den Osten Ungarns reist. Gerade mal fünf Kilometer von der Innenstadt entfernt liegt nämlich der internationale Flughafen: Wer diesen ansteuert, ist also gleich mittendrin.

Auf der Piac Utca säumen rechts und links alte Kaufmannshäuser die Lebensader der Stadt. Zur Jahrhundertwende im Jugendstil errichtet, reihen sie sich wie bunte Liebesperlen aneinander. Dass der Boulevard einst die wuselige Marktstraße einer Bauernstadt war, daran erinnert nur noch ein Stückchen Holz vor dem Grandhotel Aranybika: ein Rest der „Schlammbrücke“, die um 1600 als breiter Steg Schuhe und Röcke rettete.

Heute glitzert im Herzen von Debrecen, am Kossuth tér, auf dem Bürgersteig ein Phönix aus venezianischem Glas. Der mythische Vogel ist ein treffendes Wappentier für diese Stadt. Heftigen Bränden verdankt sie nicht nur eine der ersten Feuerwachen Europas, sondern auch die eklektische Architektur. Und noch etwas scheint sich eingebrannt zu haben in die Seele der Stadt: Aus der Not, sich immer wieder neu zu erfinden, wurde eine Tugend.

Marktstadt mit Köpfchen

Bereits 1361 verlieh Ludwig der Große den Bürgern das Privileg einer Marktstadt. Im 16. Jahrhundert handelten Viehzüchter und Kunsthandwerker so fleißig mit den Nachbarländern, dass die Stadt einen gewaltigen Aufschwung erlebte – und bald als Zentrum der geistigen Elite Ungarns galt. Debrecens Studenten wanderten durch ganz Europa und brachten frischen Wind mit. So kam es, dass die Stadt zur Hochburg der reformierten Kirche wurde. „Rom der Calvinisten“, spottete man zunächst. Doch die Bürger nahmen den Titel gern an.

Die Bauern und Handwerker zählten sich längst zu einer eigenen bürgerlichen Schicht. Sie besuchten das Theater und investierten großzügig in die Gemeinschaft. Eine stolze kulturelle Identität, die bis heute unter dem Begriff der „Cívis“-Stadt Bestand hat.

Auch der eigene Kopf ist geblieben. Viele berühmte Dichter und Denker hat die Stadt geboren. Daran erinnert nicht nur die bronzene Katzenfreundin, die am Platz verträumt auf einer Bank sitzt – Magda Szabó wurde mit Romanen wie „Das Schlachtfest“ weltweit bekannt und galt im sozialistischen Ungarn als wichtige unabhängige Stimme.

Heute sind an drei Universitäten und diversen Hochschulen knapp 30.000 Studenten eingeschrieben; vor allem die Medizin-Studiengänge sind im Ausland gefragt.

Hinter dem Kossuth-Platz fühlen sich die Fassaden schon gar nicht mehr so überdimensioniert an. Buttercremefarben und mit zwei markanten Uhrentürmen über dem neoklassizistischen Portal, trutzt hier Debrecens Wahrzeichen, die Reformierte Großkirche. Fast täglich finden Orgelkonzerte statt, aber die Ungarn zieht vor allem eine weltliche Ikone an: In der Kirche ist der Armsessel ausgestellt, auf dem Nationalheld Lajos Kossuth 1849 die Unabhängigkeit vom Habsburgerreich erklärte. Ein großer Moment in der ungarischen Geschichte!

Tradition mit Twist

Dass Sternekoch Ádám Thür sein Restaurant Ikon taufte, ist nicht so arrogant, wie es klingt. Kalbsbäckchen-Eintopf, Wollschwein-Schnitzel oder Mufflon-Lende verweisen auf die Puszta vor der Haustür, sind exquisit zubereitet, werden aber doch in entspanntem Ambiente serviert. Ganz im Sinne der Cívis-Stadt.

Den Klassiker, die Debrecziner, gibt es im Street-Food-Ableger des Restaurants. Nach Deutschland kam die mit Knoblauch und Paprika gewürzte Doppelwurst übrigens im 17. Jahrhundert, als die Siebenbürger Sachsen ihre ersten Schulen bauten und dazu Lehrer aus dem Dresdner Raum holten. Diese wiederum finanzierten mit der Wurst ihre Reisen in die Heimat.

Wer von hier aus den Studenten hinterherläuft, landet auf dem ehemaligen Fischmarkt mit Bars, Galerien und mediterran anmutenden Straßencafés. Die Fröccs-Schorle bitzelt auf der Zunge, aus einem der vielen Brunnen spritzt immer gerade eine erfrischende Fontäne, und das „Egészségedre“ geht einem beim Zuprosten bald ganz leicht über die Lippen. Auf in die Nacht!

Wie ausgerechnet eine alte Wollspinnerei zur Kultkneipe avanciert? Indem sich Ungarns beliebteste Rockband in einen zerfallenden Ziegelbau verliebt. Die Musiker von Tankcsapda widmeten den Komplex in Debrecens erste Ruinenbar um, und läuteten damit eine Bewegung ein, die in Budapest bereits ein ganzes Viertel in einen Partydistrikt verwandelt hat. In einem fantastischen Sammelsurium aus Vintage-Schätzen sind Konzerte gleich noch mal ein anderes Erlebnis – und der Pálinka schmeckt in der Roncsbár besonders verwegen.

Im Zeitraffer durch die Kulturgeschichte

Ob nun die Studenten den Protestantismus in die Stadt brachten oder andersherum, bleibt die Frage nach Henne oder Ei. Fest steht: Die Wiege der höheren Bildung findet sich im Reformierten Kollegium hinter der Großen Kirche. Smaragdgrüne Säulengänge, kostbare Bücher, ausgeleuchtet in hohen Regalen und Vitrinen – die Bibliothek im vielleicht schönsten Gebäude der Stadt wirkt wie ein heiliger Schrein und macht sofort lesehungrig. Wie es dazu kam, dass Debrecen zur Bastion des Calvinismus wurde, erzählt ein Museum. Oder, wenn man der Legende glauben will, der 200 Jahre alte Bocksdornbaum vor der Hochschule.

Der bedeutendste Kunstschatz der Stadt aber ist die Gemäldetrilogie von Mihály Munkácsy zur Passion Christi, die im Déri-Museum nebenan zu bewundern ist: Die Hingabe des Künstlers selbst war so groß, dass er sich ans Kreuz binden ließ, um das körperliche Leiden besser darstellen zu können.

Neben der neobarocken Fassade wirkt das Modem gegenüber wie ein Raumschiff. Und in gewissem Sinne ist es das auch: Im größten Ausstellungsgelände für zeitgenössische Kunst in Mitteleuropa geben sich arrivierte Künstler wie Newcomer aus Ungarn und der Welt die Klinke in die Hand. Staunte man gerade noch über Helmut Newtons Fashion-Ikonen, übernehmen schon die alten Pariser Expressionisten, oder der Garten verwandelt sich in eine Chill-Lounge, bespielt von experimentellen Sound-Künstlern.

Die Natur macht’s vor

Wandel und Verjüngung, ohne die eigenen Wurzeln zu vergessen. Es ist nicht schwer zu erraten, wo die Städter sich inspirieren lassen. Dass sie ihre grüne Lunge den „Großen Wald“ nennen, ist nicht übertrieben: Der Nagyerdő steht schon seit 1937 unter Naturschutz und erstreckt sich über tausend Hektar. An seinen Saum schmiegen sich das riesige Campus-Gelände mit einem botanischen Garten, der vor allem für seine raren Sukkulentenarten bekannt ist, und ein herrlich verspielt gestalteter Stadtpark.

Einen ersten Überblick verschafft der alte Wasserturm. Die 34 Meter erklimmt man gediegen per Treppe, oder man hängt sich ins Seil: Die Außenwand wurde nämlich zum Klettergarten umgestaltet. Die Architekten schufen außerdem Platz für Bar, Restaurant und Galerie. Im Open-Air-Bereich ist jeden Abend was los. Und wenn die Strukturen des Beton-zylinders mit Neonfarben ausgeleuchtet werden, vergisst man vollends, dass hier unter alten Eichen einst die Schweine für die würzige Doppelwurst gemästet wurden.

Überhaupt ist der Nagyerdei Park der richtige Ort für die heißen Puszta-Sommer. Nicht zuletzt, seitdem sich die Stadt einen eigenen „Strand“ im Wald gegönnt hat: Das Aquaticum ist keines der charmanten alten ungarischen Heilbäder, sondern eine hochmodern gestaltete Spaßoase. Tropische Pflanzen unter dem Dach vermitteln das ganze Jahr über das Gefühl von Karibik und in der Außenanlage scheint der Große Wald die Becken und Rutschen in seinen Kronen zu tragen.

Noch mehr heilsames Wasser gibt es nur in der kleinen Stadt Hajdúszoboszló, 20 Kilometer westlich von Debrecen. Hier befindet sich die größte Kurfreibadanlage Ungarns. Je nach Mineralienkonzentration ist das Wasser mal klar, mal honigfarben. Bei über 40 Anwendungen schafft man es jedoch kaum, alles auszuprobieren.

Cowboys, Zackelschafe – und Opernarien

Das spirituelle Herz der Region aber bleibt der Hortobágy-Nationalpark. Nur eine halbe Stunde braucht der Zug von Debrecen auf diese „Insel in der Zivilisation“, wie der Schriftsteller Mór Jókai sich einst ausdrückte.

Das Bild der ungarischen Pferdehirten, die Industrialisierung und Verstädterung im wilden Galopp hinter sich ließen, wird oft romantisiert. Selbst wenn die Csikós ihre Herden nicht mehr über die Ebenen treiben, sie stellen immer noch gern zur Schau, wie sie in ihren blauen Röcken waghalsige Manöver ausführen.

Spätestens wenn über den Köpfen Rotfußfalken oder Seeadler kreisen, eine Herde Zackelschafe des Weges zuckelt oder gar ein urtümliches Przewalski-Pferd zwischen tiefblauen Enzianen grast und einem dabei der Duft von wildem Salbei in die Nase kriecht, begreift man, dass die Puszta viel mehr ist als eintöniges Grasland, das vom Wind gepeitscht wird.

Zwar wurde der Ungarn zweitliebster Urlaubssee von Menschenhand geschaffen. Doch das merkt man ihm schon lange nicht mehr an. Statt überfüllter Strände warten am Tisza-See lauschige Auenwälder und mit Seerosen bedeckte Buchten, die sich mit Fahrrad, Kajak oder Boot erkunden lassen. Im Juni untermalen Opernarien die ätherische Stimmung am Ufer, im August touren DJs von Strand zu Strand. Ist schließlich nur ein Katzensprung von Debrecen. Sich nicht entscheiden müssen zwischen den Vorzügen von Stadt und Land – das bleibt das alte Privileg der Cívis-Stadt.

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