Seit Jahren treibt die chinesische Regierung die Wende zur E-Mobilität voran. Ein wichtiges Zentrum der Elektroautobauer und Zulieferer mit Elektrokompetenz ist das Perlflussdelta.
Weltweit gibt es derzeit etwa 10 Millionen Elektroautos, 4,2 Millionen davon fahren in China. Denn jahrelang haben die Zentral-, Provinz- und Stadtregierungen Hersteller und Käufer der Stromer großzügig gefördert: mit günstigen Investitionsbedingungen, Zuschüssen von umgerechnet bis zu 8000 Euro pro Fahrzeug und Vorteilen bei der Zulassung. „China geht es dabei sowohl um den Wunsch nach größerer Unabhängigkeit von Ölimporten als auch um die Entwicklung von nationalen Elektroautoherstellern und Zulieferern mit E-Kompetenz, die auch global führend sind“, erklärt Christoph Weber, General Manager China von AutoForm. Die Schweizer Firma verkauft Softwarelösungen für die Blechumformung von Autos.
Bei Autos mit Verbrennungsmotoren ist es Chinas Herstellern nie gelungen, in die Weltspitze vorzustoßen, auch deshalb setzte Peking umso entschlossener darauf, bei E-Autos von Anfang an in Führung zu gehen. „Die Elektromobilität ist eine riesige Chance, indem die Chinesen direkt zur Elektromobilität gewechselt sind, überspringen sie den vor allem von den deutschen Autokonzernen dominierten Verbrennungsmotor“, stellt Weber fest. „Chinas Automobilindustrie ist groß, aber nicht stark, die E-Mobilität könnte das ändern“.
Neue Wettbewerber
China ist der größte Automarkt der Welt und damit auch für deutsche Unternehmen entscheidend. Im ersten Halbjahr 2021 meldeten die chinesischen Elektroautobauer zusammen mehr Zulassungen in der Volksrepublik an als die erfolgsgewohnten deutschen Produzenten. Unter die zehn E-Auto-Hersteller mit den meisten Zulassungen schaffte es kein einziger deutscher Konzern. Die Volkswagen AG, die den ID.4. in Foshan produziert, war mit Rang zwölf am erfolgreichsten, während BMW und Daimler sogar deutlich schlechter abschnitten als chinesische Start-ups wie Weltmeister und Hozon Auto. „Das meistverkaufte Modell ist der Wuling Hongguan Mini EV, mit fast 20 Prozent Marktanteil“, rechnet Weber aus, „das Auto kostet umgerechnet aber auch nur 5000 Euro.“ Ein Mercedes EQC dagegen kostet mehr als das Zehnfache.
Aber auch im Vergleich der E-Autos für umgerechnet mehr als 50.000 Euro stehen die deutschen Premiumhersteller nicht an der Spitze und haben jetzt Wettbewerber, mit denen sie vor drei Jahren noch gar nicht gerechnet hatten. Nio, Xpeng, Li Auto sind heute beinahe so viel wert wie Deutschlands Autobauer. Die drei chinesischen Elektroauto-Start-ups haben sich mit Börsengängen an der New Yorker Wall Street ein dickes Finanzpolster für die weitere Expansion zugelegt. Nio wagte den Schritt aufs Börsenparkett im September 2018, Li Auto im Juli 2020 und Xpeng im August 2020.
Lifestyle-Marken statt Autos
Der chinesische Hersteller Nio liegt im Premiumsegment bei den Verkaufszahlen direkt hinter Marktführer Tesla. „Wir haben ein eigenes Betriebssystem mit Over-the-Air-Upgrades, ein digitales Cockpit, und unser Fahrassistent Nomi arbeitet mit Künstlicher Intelligenz. Die Verknüpfung von Hard- und Software ist unsere Kernexpertise“, sagt William Li, Gründer des Elektroautoherstellers. Und „wir haben eine Community mit doppelt so vielen Abonnenten, wie es Nio-Besitzer gibt. Wir haben in China Häuser, wo die Nutzer sich treffen können, jährlich gibt es einen Nio-Day, wir bieten Reisen an und haben eine eigene Lifestyle-Marke. Es geht längst nicht mehr nur um das Auto.“
Das glaubt auch Christoph Weber. Intelligente Elektroautos könnten traditionelle Fahrzeuge ersetzen, das Touch-Panel und die Sprachsteuerung lösen traditionelle Knöpfe ab. Zudem werden verstärkt junge Käufer angesprochen. Der durchschnittliche Mercedes-Käufer in China sei beispielsweise rund zehn Jahre jünger als der in Europa. „Chinesen sind beziehungsorientiert und offen für neue Technik. Die chinesischen Start-ups verstehen das und sind deutlich agiler als deutsche Anbieter darin, ihren Kunden mehr Konnektivität und Infotainment zu bieten und online Communities zu etablieren.“