Die sinkende Bargeldnutzung und das private Duopol im Mobile Payment sind für die chinesische Zentralbank wichtige Gründe, um die Entwicklung des digitalen Renminbi zu forcieren. Kann er effizient und bequem genutzt werden, könnte das auch der Internationalisierung des Renminbi einen Schub verleihen.
Der Aufstieg von Kryptowährungen wie Bitcoin und die Ankündigung von Facebook, mit Libra eine globale Digitalwährung schaffen zu wollen, hat die Zentralbanken rund um den Globus aufgerüttelt und den Druck erhöht, sich verstärkt mit der Einführung von digitalem Zentralbankgeld zu beschäftigen. Auch die EZB hat im Juli 2021 entschieden, in den kommenden Jahren den digitalen Euro zu entwickeln. China ist da schon einige Schritte weiter. Die chinesische Zentralbank arbeitet bereits seit 2014 an einer eigenen Digitalwährung, und der digitale Renminbi (eCNY) wird bereits in zahlreichen Städten des Landes getestet – so auch in der für ihre Innovationskraft bekannten Greater Bay Area. „Unter den größeren Zentralbanken gehört die Peoples Bank of China (PBoC) damit auf jeden Fall zu den Vorreitern“, sagt Paul Mackel, Managing Director, Global Head of FX Research.
Befördert wird dieses Engagement durch den beispiellosen Siegeszug des Mobile Payment in der Volksrepublik und die damit rapide gesunkene Bargeldnutzung. „Selbst bei einigen Einzelhandelskunden ist der Bargeldeinzug auf unter 5 Prozent des von uns abgewickelten Gesamtbetrags für den jeweiligen Kunden gesunken“, berichtet Irene Zeng, Head of Global Liquidity and Cash Management, HSBC China. Wenn sich dieser Trend fortsetzt und der Anteil an Bargeldzahlungen immer geringer wird, könnte es passieren, dass der Handel Scheine und Münzen als Zahlungsmittel irgendwann nicht länger akzeptiert. Damit könnten die Menschen perspektivisch den kostengünstigen und risikolosen Zugang zu Zentralbankgeld verlieren – ein Szenario, dem die PBoC mit einer digitalen Alternative, dem eCNY, begegnen will. Hinzu kommt, dass der Markt für Mobile Payment in China von zwei privaten Anbietern dominiert wird. Alipay und WeChat/Tenpay kommen hier zusammen auf einen Marktanteil von rund 90 Prozent und bilden damit ein nichtstaatliches Duopol. „Der eCNY würde Konsumenten eine zusätzliche digitale Bezahloption bieten“, erklärt Irene Zeng.
Chance für 200 Millionen Chinesen ohne Bankkonto
Ein weiterer guter Grund der PBoC für die Entwicklung von digitalem Zentralbankgeld: Der Weltbank zufolge verfügen mehr als 200 Millionen Chinesen nicht über ein Bankkonto und haben damit auch keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen. Hier könnte eine Wallet mit digitalem Zentralbankgeld auf dem Smartphone Abhilfe schaffen. Mit ihr sollen Überweisungen von Handy zu Handy auch ohne eine gute Internetverbindung möglich werden. Das könnte insbesondere für abgelegene Gegenden des Landes einen großen Nutzen bringen. Kaum zu unterschätzen ist auch der Wert der Daten über die Nutzung des digitalen Geldes. „Die Daten über die Geldströme in China würden es den politischen Entscheidungsträgern ermöglichen, aktuelle Trends im Konsum oder im Kreditwachstum besser nachzuvollziehen und die Konjunktur- sowie die Geldpolitik entsprechend zu steuern“, erklärt HSBC-Experte Paul Mackel.
Im Herbst vergangenen Jahres wurde der eCNY in einem groß angelegten Feldversuch auch in Shenzhen, in der Greater Bay Area, getestet. Verteilt wurde das neue digitale Geld wie in anderen Städten Chinas auch über eine Lotterie. Dazu wurden etwa 50.000 Hong Bao verlost – virtuelle rote Umschläge, mit jeweils 200 Yuan (rund 25 Euro). Nach offiziellen Angaben haben sich fast zwei Millionen Menschen für die Lotterie beworben. Wer gewonnen hatte, musste das Geld innerhalb einer Woche ausgeben. Insgesamt haben 2020 in China mehr als 10.000 Händler an solchen Tests teilgenommen. Die großflächige Verteilung der neuen Digitalwährung soll hingegen über ein zweistufiges System erfolgen: Die PBoC gibt sie an staatliche Großbanken aus, die sie dann wiederum an ihre Kunden weitergibt. Im Gegensatz zu privaten Zahlungs-Apps muss der Nutzer aber kein Konto bei einer Bank haben, um eCNY zu erhalten oder auszugeben. Auch Transaktionen von Smartphone zu Smartphone ohne eine Internetverbindung sollen möglich werden.
Obwohl der digitale Renminbi bisher nur im Inland getestet wird, verfolgt die Volksrepublik mit der Digitalwährung Ziele, die weit über die Landesgrenzen hinausgehen. „Die Einführung des eCNY soll auch der Internationalisierungsstrategie des Renminbi neuen Schwung verleihen“, erklärt HSBC-Experte Paul Mackel. Denn das bereits vor mehr als zehn Jahren gestartete Vorhaben hat bisher nur bescheidene Früchte getragen. Unter anderem wegen der strengen Kapitalverkehrskontrollen liegt der Anteil der chinesischen Währung am globalen Zahlungsverkehr laut der Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (SWIFT) bei lediglich rund zwei Prozent. Während US-Dollar und Euro zusammen für mehr als zwei Drittel aller internationalen Transaktionen eingesetzt werden.