Wo die Hongkong-Zhuhai-Macau-Brücke die Mündung des Perlflussdeltas überspannt, plant China die Megastadt der Zukunft. Im Südosten des Landes entsteht der größte Ballungsraum der Welt. Elf Millionenstädte sollen von Bürokratieabbau und Synergieeffekten profitieren und zu einer Megacity zusammenwachsen.
Elf Millionenstädte sollen in einer der produktivsten Regionen der Welt weitgehend zusammenwachsen: Guangzhou, Zhongshan, Zhaoqing, Foshan, Dongguan, Zhuhai, Shenzhen, Huizhou, Jiangmen, Hongkong und Macau. „Ziel ist es, in der Greater Bay Area ein global bedeutendes Innovations- und Finanzzentrum zu schaffen und eine weltweit führende Fertigungs- und Dienstleistungsindustrie aufzubauen“, erklärt Frederic Neumann, Managing Director der HSBC und Co-Head of Asian Economic Research. „Wenn die Städte weitgehend zusammenwachsen, werden sie stark durch die Vereinheitlichung von bisher sehr unterschiedlichen Regularien profitieren“, fügt er hinzu. So gibt es ein neues sogenanntes „wealth connect”, das es Banken und Vermögensverwaltern aus dem Finanzzentrum Hongkong erlaubt, in anderen Städten der Greater Bay Area Finanzdienstleistungen anzubieten. Bisher waren solche direkten Finanztransaktionen für Kleinanleger so gut wie ausgeschlossen.
Knapp 300 Industriecluster
Schon heute bilden die neun Städte auf dem chinesischen Festland und die beiden Sonderverwaltungszonen Hongkong und Macau ein einzigartiges urbanes Ensemble. Dabei stellt sich für die chinesische Führung die Frage: Wie lässt sich der Wettbewerb zwischen den elf Städten organisieren, ohne dass einzelne, vor allem die beiden liberalen Sonderverwaltungszonen, ihre Vorzüge verlieren?
Alle elf Städte haben sich spezialisiert. „Der Erfolg der Region beruht auf dem Clusterprinzip“, erläutert Frederic Neumann. Die Hightech-Metropole Shenzhen sei die Elektronikfabrik der Welt und zu einem Forschungsstandort herangewachsen, der sich mit dem Silicon Valley misst. Aus der Gegend um die Industriestadt Dongguan stammt weltweit jede dritte Jeans, aus Foshan mehr als die Hälfte aller global hergestellten Kühlschränke und Klimaanlagen. In Guangzhou und im benachbarten Foshan ist die Automobilindustrie zu Hause. Zum Beispiel produziert Volkswagen in Foshan den VW ID.4 für den chinesischen Markt. Hongkong ist Asiens wichtigstes Finanzzentrum und Macau die größte Glücksspielstadt der Welt. Ihr Umsatz übertrifft den von Las Vegas um das Sechsfache.
„Natürlich werden sich die Gewichte verschieben, manche dieser Städte werden an Bedeutung verlieren und andere gewinnen", resümiert Neumann. Aber bisher müssten sich elf unterschiedliche Verwaltungen untereinander abstimmen, der Zusammenschluss der Greater Bay Area sei da eine große Chance, um neues Wachstumspotential zu entwickeln. „Am Perlflussdelta sind so dichte Netzwerke entstanden, die man sonst nirgendwo anders auf der Welt finden kann“, analysiert Neumann. Denn über ihre knapp 300 Industriecluster bietet die Region eine beinahe lückenlose Zulieferkette zwischen vor- und nachgelagerten Technologien und gleichzeitig viele junge, talentierte Arbeitskräfte.
Im Perlflussdelta entsteht nicht nur die größte Metropole der Welt, sondern auch so etwas wie die Blaupause für die Zukunft auf der Erde. 2050 werden nach Hochrechnungen der Vereinten Nationen 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten und Ballungsräum leben. In China ist es wohl schon 2030 so weit.
Die Volksrepublik ist im Umbruch, und auch die wirtschaftliche und politische Rivalität mit den USA zwingt das Land, sein Geschäftsmodell zu ändern und seine Unternehmen innovativer zu machen. Dafür brauchen sie besseren Zugang zu technischem Know-how und zu den globalen Finanzmärkten.