Eine Piazza für Bücher und Begegnungen
Von Stefanie Hutschenreuter
Von Stefanie Hutschenreuter
Säulen und Arkaden, gruppiert um eine Art Stadtplatz – der Ehrengast-Pavillon holt auch optisch ein Stück Italien auf die Frankfurter Buchmesse. Der kreative Kopf hinter dem Messestand ist der Mailänder Stararchitekt Stefano Boeri.
Mit dem Bau des „Bosco Vertikale“ vor rund zehn Jahren wurde Stefano Boeri berühmt. Der senkrechte Wald, wie die beiden begrünten Mailänder Hochhäuser auf deutsch heißen, hat die Architekturwelt begeistert. Denn Boeri begrünte die Terrassen und Balkone der Zwillingstürme nicht einfach nur, sondern ließ sie mit über 700 Bäumen sowie 20.000 weiteren Pflanzen überwuchern. Es entstand ein Wald in der Stadt, der für gute Luft sorgt und Lärm sowie Hitze abschwächt. Das brachte dem Architekten und Stadtplaner nicht nur internationale Auszeichnungen ein, sondern auch zahlreiche Aufträge für ähnliche Häuser auf der ganzen Welt. Nun jedoch hat Stefano Boeri mit seinem Büro ein Projekt umgesetzt, dem ein völlig anderes Konzept zugrunde liegt, das aber dennoch ganz klar seine Handschrift trägt: die Gestaltung des Ehrengast-Pavillons seines Heimatlands Italien auf der Frankfurter Buchmesse als zentraler Austragungsort des Publikumsprogramms.
Für den Entwurf des über 2.300 Quadratmeter großen Pavillons ließen sich die Schöpfer vom Interior-Studio des Architekturbüros von dem Herzen einer typisch italienischen Stadt inspirieren: der Piazza. Der zentrale öffentliche Platz, der meist von Geschäften, Restaurants und Cafés umgeben ist, stand Pate für den großen offenen Bereich in der Mitte des Pavillons. Die Idee dazu entstand gemeinsam mit dem Kunsthistoriker Giovanni Agosti. Die Pavillon-Piazza ist umgeben von Arkaden mit unterschiedlich gestalteten Säulen, die an klassische römische Tempel erinnern. Stufen führen von den Bogengängen hinab. Anders als auf der Spanischen Treppe in Rom ist Hinsetzen auf diesen jedoch erlaubt, ja sogar erwünscht. Denn so wie die urbane Piazza soll auch das Pavillonzentrum ein Treffpunkt sein, um zu verweilen, zu lesen und vielleicht ungezwungen miteinander ins Gespräch zu kommen. Stefano Boeri spricht von einem Ort, „der Begegnungen und Beziehungen, der großzügig Raum bietet für alle Aktivitäten, die dort stattfinden, aber auch Überraschungen bereitstellt für das, was dort sonst noch passiert.“ Und er sagt: „Besser als jeder andere Ort repräsentiert die Piazza die tiefe, rastlose und großzügige Seele unserer Städte und unseres wunderschönen Landes.“
Passend zum Motto des Ehrengastauftritts „Verwurzelt in der Zukunft“ greift die Pavillonarchitektur also italienische „Wurzeln“ auf und weist gleichzeitig durch ihre innovative Gestaltung in die Zukunft. Das Messebauwerk will ein Ort sein, an dem das reichhaltige kulturelle Erbe und die Vorwärtsgewandtheit Italiens nebeneinander erfahrbar werden, sodass Verlagsrepräsentanten und Literaturbegeisterte das breite literarische Spektrum des Landes von gestern und morgen entdecken und erleben können.
Rund um die Piazza gruppieren sich mehrere Räume, die sich zum Zentrum hin öffnen. In diesen sind unter anderem Ausstellungen untergebracht, etwa über die Antike mit Kunstwerken aus italienischen Museen, über den leidenschaftlichen Italienliebhaber Goethe oder den Staatsphilosophen Machiavelli. Auch zu Illustration und Fotografie gibt es Ausstellungen: Die eine beschäftigt sich mit Zeichnungen in der Jugendliteratur, die andere zeigt Fotoporträts von 60 italienischen Autoren des 20. Jahrhunderts. Außerdem werden die slowenische Stadt Nova Gorica und das benachbarte italienische Gorizia vorgestellt, die gemeinsam 2025 europäische Kulturhauptstadt sein werden. In der „Bibliothek der 600 Bücher“, die so heißt, weil hier 600 aus dem Deutschen ins Italienische übersetzte Bücher untergebracht sind, blitzt etwas von Boeris Begeisterung für natürliche Gebäude-Begrünung auf: Die Wände der Bibliothek sind üppig mit Pflanzen bestückt.
Die Lesungen und Live-Auftritte finden in der Arena und im Caffè Letterario des Pavillons statt. Das Literaturprogramm an den fünf Messetagen wird vom italienischen Verlegerverband Associazione Italiana Editori (AIE) kuratiert und reicht von Belletristik über Sachbücher, Lyrik und Kinderbücher bis hin zu Comics und Romanen. Zeitlose Klassiker stehen dabei neben frischen Neuerscheinungen. Dadurch, dass die Moderation der einzelnen Veranstaltungen in der Regel prominente Vertreter der deutschen Kulturszene übernehmen, zeigen die Organisatoren, wie wichtig ihnen der offene Dialog mit dem Gastgeberland ist.
10.00 – 10.50 Uhr, Arena:
Eröffnungsveranstaltung „Die Schönheit der Worte“ mit Susanna Tamaro und Stefano Zecchi; moderiert von Luigi Mascheroni
11.00 – 11.50 Uhr, Arena:
„Das Leben zur Zeit der Apokalypse“ mit Luigi Maria Epicoco und Carlo Rovelli; moderiert von Nico Spuntoni
10.30 – 11.20 Uhr, Caffè Letterario:
„Auf der Suche des großen europäischen (und italienischen) Romans“ mit Vincenzo Latronico und Gianluigi Simonetti; moderiert von Maike Albath (Essayistin und Kulturjournalistin, Deutschlandfunk Kultur, SZ, Die Zeit)
12.00 – 12.50 Uhr, Arena:
„Verbindendes Element Kultur. Heimatland und Nation, rechts und links. Grundlagen für einen Dialog“ mit Alessandro Campi und Andrea Romano; moderiert von Tommaso Ricci
14.30 – 15.20 Uhr, Caffè Letterario:
„Comics und Cartoons von Papier bis Youtube: zwei sich überschneidende Welten“ mit Luca Enoch und Pera Toons; moderiert von Tilman Spreckelsen (Kulturjournalist, F.A.Z.)
10.00 – 10.50 Uhr, Arena:
„Abenteuer, Geheimnisse und Zaubersprüche: Die geheime Formel für Kinderbuch-Bestseller“ mit Pierdomenico Baccalario, Elisabetta Dami und Elisabetta Gnone; moderiert von Marlene Zöhrer (Essayistin, KiJuLit-Zentrum, kinderundJugendmedien.de)
17.00 – 17.50 Uhr, Arena: „Die Wissenschaft der Zukunft: auf der Suche nach dem perfekten Gleichgewicht zwischen Freiheit und Verantwortung“ mit Guido Barbujani und Massimo Sandal; moderiert von Stefan Klein (Essayist)
11.00 – 11.50 Uhr, Arena:
„Verbindendes Element Kultur. Russland und Europa“ mit Gennaro Malgieri und Luciano Mecacci; moderiert von Pierfranco Bruni
11.30 – 12.20 Uhr, Caffè Letterario:
„Hunger, Bescheidenheit und andere unbändige Gefühle“ mit Maddalena Fingerle und Anna Giurickovic Dato; moderiert von Andreas Pfeifer (Journalist, ORF Berlino)
Stefano Boeri, 1956 in Mailand geboren, studierte in seiner Geburtsstadt Architektur. Das Studium beendete er mit einer Promotion in Venedig. 1999 eröffnete er zusammen mit zwei Partnern das Studio Boeri, das seit 2011 unter dem Namen Stefano Boeri Architetti firmiert. Heute hat das Architekturbüro mit Hauptsitz in Mailand auch Dependencen in Shanghai und Tirana. Seine Arbeit beschränkt sich nicht nur auf die Planung von Architektur und urbanen Visionen, sondern auch auf Projekte aus den Bereichen Innenarchitektur und Produktdesign. Dabei liegt der Fokus jedoch stets auf den geopolitischen und ökologischen Auswirkungen urbaner Phänomene.
Neben seiner Arbeit als Architekt lehrt Stefano Boeri auch als Professor am Politecnico in Mailand, ist Autor für Magazine und Bücher, Ausstellungskurator und einer der Hauptakteure in der Debatte um den Klimawandel im Bereich der internationalen Architektur. Als Vorsitzender des wissenschaftlichen Ausschusses ist er einer der Hauptakteure des Forestami-Projekts, das es sich zum Ziel gesetzt hat, bis 2030 drei Millionen Bäume im Großraum Mailand zu pflanzen.
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