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Menschen stöbern auf einer Buchmesse an einem mit Büchern gefüllten Stand. Der Raum ist gut besucht, und die Besucher schauen sich interessiert die ausgestellten Bücher an.
Quelle: Associazione Italiana Editori

Italiens Buchmarkt wächst

Von Christina Lynn Dier

Mehr als drei Milliarden Euro Umsatz und ein steigendes Interesse an Büchern: Italiens Verlagsbranche zeigt sich dynamisch und innovativ.

Nach 36 Jahren kehrt Italien 2024 als Ehrengast auf die Frankfurter Buchmesse zurück. Seitdem haben sich nicht nur die großen Themen unserer Zeit verändert – auch in der italienischen Verlagswelt hat sich viel getan. Das zeigt ein Blick auf die wichtigsten Branchenzahlen: Lag der Umsatz 1988 noch bei 652 Millionen Euro, so erwirtschaftete die italienische Buchbranche im vergangenen Jahr nach Endverbraucherpreisen mehr als drei Milliarden Euro (3.439 Millionen). Damit hat sich der italienische Markt seit dem letzten Gastlandauftritt Italiens auf der Frankfurter Buchmesse inflationsbereinigt mehr als verdoppelt. Dieses Wachstum spiegelt sich auch im internationalen Vergleich wider: Italien hat inzwischen die viertgrößte Verlagsindus­trie in Europa und die sechstgrößte weltweit.

Leser
(Mindestens ein Buch im letzten Jahr)

2023

74 %

Bevölkerung im Alter von 15-74 Jahren

Auch die Corona-Pandemie konnte den Aufwärtstrend nicht stoppen: Die Italienerinnen und Italiener kaufen mehr Bücher als noch vor der Pandemie – die Branche erwirtschaftete 2023 rund 300 Millionen Euro mehr als 2019, dem letzten Jahr vor dem Ausbruch der Pandemie.

Doch woran liegt das? Neben der Fülle und Vielfalt des Angebots lässt sich der Erfolg auch auf neue Lesergruppen zurück­führen: Ein junges Publikum erschließt sich das Medium Buch zunehmend über neue Genres und neue Werbeformen in sozialen Netzwerken. Zahlen von 2023 zeigen, dass 82 Prozent der italienischen Jugendlichen zwischen 15 und 17 Jahren im vergangenen Jahr mindestens ein Buch gelesen haben – dazu zählen neben gedruckten Büchern auch E-Books und Hörbücher. Damit liegt diese Altersgruppe gleichauf mit den 25- bis 34-Jährigen – und über dem Durchschnitt der italienischen Bevölkerung, die auf 74 Prozent kommt. Im Durchschnitt liest jeder Leser in Italien 8,2 Titel pro Jahr.

Gesamtwert des Marktes
(Endverbraucherpreise)

2023

3.439

Millionen Euro

Im Vergleich zu 1988, als Bücher im Gegenwert von 652 Millionen Euro verkauft wurden, betrug das Wachstum nach Inflation 108 Prozent, vor Inflation 427 Prozent.


Gedruckte Titel, die pro Jahr veröffentlicht werden
(Nur Handelsmarkt)

2023

68.820

Im Vergleich zu 1988, als in einem Jahr 23.750 Titel veröffentlicht wurden, beträgt das Wachstum 190 Prozent. Selbstveröffentlichte Titel sind nicht berücksichtigt.

Auffällig ist vor allem das wachsende Interesse an Comics und Kinderbüchern, mit denen sich neue Zielgruppen erschließen lassen. So haben sich die Verkaufszahlen von Comics seit 2019 mehr als verdoppelt, und auch die Kategorie der Kinderbücher verzeichnet ein starkes Wachstum. Hier machen allein Buchkäufe für die Alters­gruppe der 0- bis 5-Jährigen 46 Prozent des erzielten Umsatzes aus.

Die Rückkehr Italiens zur Frankfurter Buchmesse 2024 wird somit nicht nur ein Wiedersehen nach 36 Jahren sein, sondern auch eine Plattform bieten, um die dyna­mische Entwicklung der italienischen Buchbranche und das sich wandelnde Leseverhalten der Gesellschaft zu reflektieren.

Gedruckte Titel, die im Jahr 2023 erschienen sind: 85.192
(Handel, Schul- und Fachbücher)

„Balanceakt zwischen Anspruch und Marktbedürfnissen“

Gianluigi Simonetti ist Autor, Professor und Experte für moderne und post­moderne Romane. Im Interview spricht er über thematische Vorlieben und die strukturelle Ausrichtung der Werke der jüngeren italienischen Literatur – und über die Chancen italienischer Autoren auf dem inter­nationalen Markt.

Gianluigi Simonetti
Quelle: Privat
Gianluigi Simonetti

Herr Simonetti, In Ihrem neuesten Werk „Caccia allo Strega“ analysieren Sie die Finalisten des renommiertesten italienischen Literaturpreises Premio Strega. Welche Trends und Entwick­lungen haben Sie dabei festgestellt?

Der Haupttrend bei den wichtigsten Literaturpreisen ist die systematische Integration von Unterhaltungstechniken und konventionellen Merkmalen lite­rarischer Qualität. Auf der Unterhaltungsseite wird vor allem auf „Trendthemen“ Wert gelegt: Krieg, Emanzipation der Frau, Ökologie, Migra­tionsprobleme und persönliche Krankheiten. Diese Themen werden durch wiederkehrende Figuren verkörpert – starke weibliche Identitäten, leidende Kinder, junge Männer, die die Wildnis wiederentdecken, Vater- oder Mutterfiguren.

Was die literarischen Merkmale betrifft, so wird ein schwieriges Gleichgewicht zwischen einer Sprache, die arm an literarischen Ausschmückungen ist, und systematischen metaphorischen Wellen oder Aphorismen angestrebt. Ebenso werden Formen der populären literarischen Gattungen – insbesondere des Noir, des Thrillers und der Romantik – als Bausteine im Rahmen des realistischen Romans verwendet. Ein schwieriger Balanceakt zwischen künstlerischem Anspruch und Marktbedürfnissen.

Sie haben einen guten Blick auf die italienische Literatur im internationalen Kontext. Wie wird zeitgenössische italienische Literatur weltweit wahr­genommen?

Die italienische Literatur wird in zwei Dimensionen wahrgenommen: Auf der einen Seite gibt es Werke, die einem „internationalen“ Geschmack folgen und Genres bedienen, die weltweit erfolgreich sind. Dazu gehören der historische Roman, der sozial engagierte Noir, die Autofiktion, die Biofiktion.

Und andererseits gibt es Werke, die sich im Gegensatz dazu durch eine starke lokale Stilisierung auszeichnen, fast volkstümlich sind und daher mit touristischen Schau­plätzen in Italien verflochten werden – ich denke hier an Neapel, Sizilien oder das antike Italien. Beide Strömungen haben eine Literatur hervor­gebracht, die sich sehr gut für den Export eignet.

Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie für italienische Autoren auf dem globalen Literaturmarkt?

In jüngster Zeit haben italienische Autoren die internationalen Märkte mit Bestsellern unterschiedlicher Couleur erobert – von „Il Gattopardo“ bis „Il nome della Rosa“, von Calvinos und Morantes Meisterwerken bis zu Ferrantes „Meine geniale Freundin“. Ich glaube, dass die Übersetzungs- und Kommunikationsbemühungen künftig weniger auf Unterhaltung und mehr auf Qualität ausgerichtet sein sollten – auch wenn das bedeutet, weniger „instagram­mable“ Autoren zu berücksichtigen und Büchern den Vorzug zu geben, die schwie­riger zu lesen und zu übersetzen sind. Die Herausforderung besteht darin, den besten zeitgenössischen italienischen Autoren wie Walter Siti, Domenico Starnone, Michele Mari und Antonio Franchini eine internationale Bühne zu geben.