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Klimafreundliche Architektur

Drei Architekten errichteten mit der Hilfe ihrer Familien und Freunde in Eigenleistung den Rohbau ihres Wohnhauses. Die Außenwände bestehen aus lasttragenden Strohballen.

Enkelfähig bauen

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Der Duft von frisch gebackenem Brot zieht durch das Haus, im sonnendurchfluteten Esszimmer versammelt sich eine kleine Gruppe zum Mittagessen. Die lange Holztafel ist bunt gedeckt, die Gastgeberin Alexandra Schenker-Primus stellt einen dampfenden Topf Gemüseragout in die Mitte. Im Weimarer Ortsteil Ehringsdorf leben zehn Erwachsene und 15 Kinder, mehrere Hühner, sechs Kühe und eine Handvoll Katzen in einem ökologischen Wohnprojekt. Das große, an der Straße gelegene Haus bildet das Herzstück. Hier wohnen Alexandra Schenker-Primus und ihr Mann mit den drei Kindern auf der einen Seite, Sarah und Florian Hoppe mit ihrer Familie auf der anderen. Das Besondere: Die Mauern des Hauses bestehen aus übereinandergestapelten Strohballen.

2015 haben die beiden Familien mit Freunden das Gelände im Süden Weimars gekauft. Ursprünglich wollten sie die bestehende Scheune zum Wohnhaus ausbauen, aber erhebliche Baumängel ließen das nicht zu. Die Hoppes und Alexandra Schenker-Primus betreiben gemeinsam ein Architekturbüro. Für sie war von Anfang an klar: Wenn sie neu bauen, dann nur so, dass es für die Nachwelt unbedenklich ist. Ihre Idee: Aufeinandergestapelte, rund 500 Kilo schwere Strohballen bilden die Außenwände, der Innenausbau sowie die Fenster bestehen aus Holz, und das Ganze wird mit Lehm verputzt. Die Materialien für ihr Haus sind nicht nur natürlich, sie sind auch „konkurrenzlos regional“, wie Florian Hoppe erklärt. Die Leidenschaft für Naturmaterialien stammt aus seinem Elternhaus.

Alexandra Schenker-Primus, Sarah Hoppe und Florian Hoppe sitzen lachend und entspannt auf einer gemütlichen Sitzbank in einem warmen, holzverkleideten Raum vor einem Fenster.
Alexandra Schenker-Primus, Sarah Hoppe und Florian Hoppe (v. li.) lernten sich während des Architekturstudiums in Weimar kennen. Heute realisieren sie gemeinsam ökologische Bauprojekte.

Tatsächlich lohnt es sich beim Bauen und Wohnen ganz besonders, über Nachhaltigkeit nachzudenken. Der Sektor Bau- und Gebäudewirtschaft verursacht laut den neuesten Statistiken des Umweltprogramms der Vereinten Nationen rund 37 Prozent der globalen Treibhausgase, weit mehr als jeder andere Sektor. Ein großer Teil davon entsteht durch den Energieverbrauch in fertigen Gebäuden. Aber auch die Baumaterialien sind relevant. „Herstellung und Einsatz von Materialien wie Zement, Stahl und Aluminium verursachen einen erheblichen CO2-Fußabdruck“, heißt es in dem UN-Bericht.

Allein in Deutschland fielen 2018 laut Umweltbundesamt etwa 20 Millionen Tonnen CO2 bei der Herstellung von Zement an, dem Bindemittel für Beton. Durch den Abbau, Transport und die Verarbeitung von Rohstoffen und Bauteilen entstehen gigantische Mengen an umweltschädlichen Stoffen. Das Bauen an sich ist aus Sicht von Carsten Könke, Professor für Baustatik und Bauteilfestigkeit an der Bauhaus Universität Weimar, unverzichtbar. Wir brauchen schließlich Wohnraum, Infrastruktur, Versorgungsmöglichkeiten. „Aber es gibt riesiges Optimierungspotenzial.“

Natürliche Ressourcen sind nur ein Teil der Lösung

Lokale und natürliche Ressourcen zu nutzen, wie es die Architekten des Strohballenhauses machen, hält auch Könke für einen relevanten Ansatz. Der aber stoße bei anderen Vorhaben schnell an Grenzen. „Großprojekte wie Flughäfen, Tunnel oder Windenergieanlagen werden wir nicht aus Holz oder anderen Naturstoffen bauen“, sagt er. „An mineralischen Stoffen kommen wir auch in Zukunft nicht vorbei.“

Carsten Könke leitet auch die Materialforschungs- und -prüfanstalt in Weimar (MFPA). Dort forschen rund 120 Mitarbeitende mit Partnern aus der Industrie daran, die Herstellung von Baustoffen zu verbessern und ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. Sie beschäftigen sich etwa mit Gipsrecycling sowie Verfahren, um Bedarfsmengen zu minimieren. Zudem untersuchen sie bislang ungenutzte Reststoffe. Auf der anderen Seite sind sie in der Materialprüfung tätig. So kamen Carsten Könke und Florian Hoppe zusammen. Könkes Team der MFPA führte am Strohballenhaus die für die Baugenehmigung nötigen Tests durch.

Das Bild zeigt zwei Personen, die an einem Gebäude aus Strohballen arbeiten, wobei eine auf einer Leiter steht und die andere daneben steht.
Nachhaltige Übergangslösung bis zur Fertigstellung der Altenpflegeschule Holzdorf: Anstatt temporärer Container sorgt hier ein klimafreundlicher und einfach rückbaubarer Strohballenbau für behagliches Lernklima.

Bundesweites Kompetenzzentrum für nachhaltiges Bauen

Die MFPA ist in Thüringen auf ihrem Forschungsgebiet nicht allein. Mit dem F.A. Finger-Institut für Baustoffkunde, dem Thüringer Innovationszentrum Wertstoffe (ThIWert) an der Hochschule Nordhausen und dem Institut für Angewandte Bauforschung bildete sich im Freistaat ein regelrechtes Kompetenzzentrum. Um ihr Know-how über den gesamten Lebenszyklus von Baustoffen, Bauteilen und Bauwerken besser zu bündeln, schlossen sich die Institutionen 2018 zur Thüringer Allianz für ressourcenschonendes und klimafreundliches Bauen zusammen. „Gemeinsam können wir große Projekte angehen“, sagt Könke. Die Allianz hat beispielsweise ein nachhaltiges Aus- und Weiterbildungskonzept im Bereich ressourcenschonendes Bauen entwickelt und vernetzt mithilfe einer Plattform unterschiedliche Interessen der Industrie, Bevölkerung und Behörden. Neben Forschungsinstitutionen sind auch verschiedene Unternehmen Partner der Allianz, darunter zum Beispiel der multinationale Baustoff-Produzent Knauf.

Professor Carsten Könke lehnt lächelnd an einem Geländer in einem modernen, gut beleuchteten Flur.
Prof. Carsten Könke forscht an der Zukunft der Bauindustrie. Für ihn entscheidend: Naturmaterialien sinnvoll einsetzen, Rohstoffmengen einsparen, Kreisläufe schließen und Baumaterialien effizient und klimafreundlich herstellen.

Mit mehr als 32 Millionen Euro aus EU- und Landesmitteln investiert Thüringen seit 2016 verstärkt in die Forschungsfrage, wie in Zukunft nachhaltig gebaut wird. Die Antwort ist laut Könke eine Kombination aus Maßnahmen. Eine davon ist die Kreislaufwirtschaft, also die Wiederverwertung von Baustoffen. Aber: „Selbst wenn wir das Material hundertprozentig wieder einsetzen würden, reicht das vorne und hinten nicht“, sagt Könke und rechnet vor: Jährlich fließen 650 Millionen Tonnen mineralische Baumaterialien wie Beton in die Baustoffproduktion; im gleichen Zeitraum gewinnt die Industrie aber nur 215 Millionen Tonnen Abbruchmaterial wieder.

Und künftig werden noch größere Mengen an Baumaterialien fehlen. Viele davon, zum Beispiel REA-Gips, sind Abfallprodukte aus Kohlekraftwerken, die im Zuge des Kohleausstiegs wegfallen. „Wir reden über Millionen Tonnen, die wegbrechen und die wir ersetzen, im besten Fall einsparen müssen“, sagt Könke.

Weniger Material, weniger Energie, weniger CO2

Eine Möglichkeit dafür ist der Leichtbau, erklärt der Wissenschaftler. „Eine nichttragende Wand muss nicht aus hochwertigem Beton bestehen.“ Zum anderen lassen sich Prozesse schon bei der Materialherstellung optimieren. Entsteht während der Herstellung weniger Abfall, fällt auch weniger CO2 an, da weniger Energie aufgewendet wird.

Weniger ist auch im Strohhaus mehr: Die Architekten verzichteten beim Bau zum Beispiel auf Folien in den Wänden. Stattdessen dient der Lehmputz als winddichte Ebene. Das Strohballenhaus kommt darüber hinaus ohne Heizung aus. Ein kleiner Ofen sorgt für einen warmen Wohnraum. Das Energiekonzept ist simpel: große verglaste Fronten zur Südseite und nur kleine Öffnungen zum Norden. „Wir nutzen passive Sonnenenergie“, sagt Alexandra Schenker-Primus. „Dafür ist die Ausrichtung des Grundrisses elementar.“ Die Architekten mussten in diesem Fall kreativ werden, denn die sonnentechnisch optimale Ausrichtung entsprach nicht den städtebaulichen Vorschriften. Sie lösten das Problem mit einer parallel zur Straße stehenden Holzverkleidung und legten den dahinterliegenden Grundriss zur Sonne geöffnet hin an.

Das Bild zeigt eine industrielle Maschine mit Förderbändern und einem Kamerasystem, die offensichtlich zur Sortierung von kleinen Objekten verwendet wird.
Um Abbrucharbeiten zu optimieren, entwickelt die MFPA eine KI-basierte Anlage, die Bauschutt automatisch sortiert. Was im Labor bereits funktioniert, soll künftig die manuelle Arbeit ersetzen und effizienteres Recycling ermöglichen.

Ressourcenschonung endet nicht, wenn das Gebäude steht. Effizienter Rückbau und Recycling sind wichtige Hebel zu mehr Nachhaltigkeit. Im Idealfall, erklärt Professor Könke, lassen sich dank kluger Verbindungstechniken nach Ende der Lebenszeit eines Hauses gesamte Komponenten flexibel aus ihrer Struktur lösen und an anderer Stelle wieder einsetzen. Der Rückbau spielt auch bei Architektin Sarah Hoppe und ihren Mitstreitern eine zentrale Rolle. Aktuell errichten sie Übergangs-Klassen-räume für eine Altenpflegeschule – auch hier mit lasttragenden Strohballen anstatt Containern. Sobald die Schule ihren eigent-lichen Bau bezieht, wird das Klassenzimmer aus Stroh zurück-gebaut. Die Fenster, die Türen und selbst die Dachkonstruktion können dann für andere Gebäude genutzt werden.

Was heißt es, nachhaltig zu wirtschaften?

Das Bild zeigt vier unterschiedliche Proben von Betonplatten, die verschiedene Texturen und Aggregate aufweisen.

Im direkten Vergleich ist konventionelles Bauen bisher kostengünstiger, als nachhaltig und ressourcenschonend vorzugehen. Herkömmliche Materialien werden noch in viel größeren Mengen hergestellt. Und natürliche Rohstoffe verursachen oft mehr Aufwand. Für Florian Hoppe ist es aber zu kurz gedacht, nur auf die Kosten für den Bau und die ersten Betriebsjahre zu schauen. „Wer nachhaltig wirtschaftet, bedenkt auch die Baufolgekosten“, sagt Hoppe und meint damit unter anderem die Klima- und Umweltschäden, die konventionelle Materialien verursachen.

Alexandra Schenker-Primus, Sarah und Florian Hoppe wünschen sich ein gesellschaftliches Umdenken. Dazu gehört für sie eine Baukultur, die regionale Ressourcen zeigt und nicht versteckt. „Wir müssen nicht immer alles verblenden. Das ist schadanfällig und teuer“, sagt Sarah Hoppe und zeigt auf die ockerfarbenen Lehmwände im Esszimmer des Strohballenhauses. Wandfarbe oder Tapeten sucht man hier und in allen anderen Räumen vergeblich.