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Das Coming-out möglich machen

Das Coming-out möglich machen

Ein Outing kann auch heute noch zum beruflichen Risiko werden. Foto nito100/istock

Immer noch betrachten viele Menschen aus der LGBTQI+-Community ein Coming-out als Karriere­risiko. Doch spielt Sexualität im Arbeitsumfeld heutzu­tage überhaupt noch eine Rolle? Und wie können Firmen und Organisationen eine tolerante und offene Unternehmens­kultur schaffen?

Von Francoise Hauser

Mein Mann (meine Frau) und ich waren gestern Abend beim Griechen essen.“ Für die meisten ist ein solcher Satz Teil einer ganz normalen Büro-Unterhaltung in der Mittagspause. Für einen schwulen Mann oder eine lesbische Frau wird eine solche Bemerkung jedoch zum Coming-out, eine folgenreiche Entscheidung, die wohlüberlegt sein will, denn noch immer gibt es in der Arbeitswelt Vorurteile gegenüber LGBTQI+-Menschen. LGBTQI+ steht für lesbian, gay, bisexual, trans, queer und inter.

Laut der Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) aus dem Jahr 2020 haben sich fast 70 Prozent aller LGBTQI+-Menschen in Deutschland am Arbeitsplatz geoutet – was im Umkehrschluss bedeutet, dass rund ein Drittel noch zögert. Die Gründe dafür sind vielschichtig, doch es scheint kein Zufall, dass auch ein Drittel aller LGBTQI+-Menschen von Diskriminierung am Arbeitsplatz berichten. Und der ist schwer beizukommen. Rein rechtlich ist die Situation seit 2006 klar. „Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verpflichtet die Wirtschaft, niemanden aufgrund der sexuellen Identität und des Geschlechts zu benachteiligen“, sagt Markus Ulrich, Pressesprecher des Lesben- und Schwulenverbands.

In der Tat wird sicher niemand mehr offiziell von einer Beförderung ausgeschlossen, weil die sexuelle Orientierung dem Chef nicht beliebt. Tuscheleien, Ausgrenzungen und unterbewussten Annahmen kommt man damit freilich nicht bei. „Homophobie ist oft geknüpft an sehr starre Geschlechtervorstellungen. Schwul sein wird beispielsweise mitunter als unmännlich und damit inkompetent wahrgenommen“, sagt Ulrich. In vielerlei Variationen lässt sich dies auch auf alle anderen Menschen der LGBTQI+-Community übertragen, die allesamt nicht in die Geschlechter­stereotype passen. Kein Wunder, dass der Anteil der geouteten LGBTQI+-Personen je nach Branche schwankt. In der Touristik, in sozialen und in kreativen Berufen dürfte ein Outing nur noch wenig Irritation hervorrufen. Im Gesundheits- und Sozialwesen sind laut DIW immerhin 74,5 Prozent der LGBTQI+-Menschen geoutet, während es im produzierenden Gewerbe und primären Sektor nur 57,3 Prozent sind.

Klare Signale nach innen und außen

Doch wie können Unternehmen eine LGBTQI+-freundliche Atmosphäre schaffen? „Zum einen braucht es eine klare Positionierung als LGBTQI+-freundliches Unternehmen“, empfiehlt Ulrich. „Von der bewusst formulierten Stellenanzeige bis zu klaren Aussagen bei allen Außendarstellungen tun Unternehmen gut daran, ihre tolerante Haltung nach außen zu kommunizieren.“ Aber im Betrieb darf dies kein Lippen­bekenntnis bleiben, auch hier muss der Arbeitgeber das richtige Klima schaffen. Und das funktioniert nicht nur per Gesetz, sondern auch im Kleinen, im täglichen Arbeitsleben. Abfällige, diskriminierende Anzüglichkeiten nicht zu überhören gehört genauso dazu wie inkludierende Formulierungen in der Mitarbeiterkommunikation.

„Es sind auch Kleinigkeiten, wie die Frage danach, wer in der Mitarbeiterzeitung abgebildet wird“, so Ulrich. Gut möglich, dass es dazu die eine oder andere sensibilisierende Fortbildung unter den Führungskräften braucht, die in dieser Hinsicht Vorbildfunktion haben. „Wichtig ist auch, einen Ansprechpartner für Diversity-Fragen zu benennen“, unterstreicht Ulrich. Letztlich sollte sich jeder Vorgesetzte fragen: Könnte man sich in diesem Umfeld problemlos outen? Gebe ich die richtigen Signale, und kommuniziere ich das eindeutig? Solange homophobe Äußerungen zum Alltag gehören und die LGBTQI+-freundlichen Werte nicht gelebt werden, bleibt ein Outing ein berufliches Risiko. Nicht zuletzt besteht die Gefahr, als LGBTQI+-Mensch auf die sexuelle Identität reduziert zu werden.

Von sensibilisierenden Maßnahmen profitieren übrigens nicht nur die LGBTQI+-Angestellten. In einem Umfeld, in dem über LGBTQI+ getuschelt und gelästert wird, blühen auch andere Mobbing-Methoden, denn oft liegt dem abfälligen Verhalten nicht nur eine homophobe Haltung zugrunde, sondern ganz allgemeine eine Freude an Machtspielchen, die sich genauso gegen Frauen oder Ausländer entladen kann.
Neben dem Vorteil, dass sich die Mitarbeiter am Arbeitsplatz wohler fühlen, hat eine LGBTQI+-freundliche Politik im Unternehmen auch handfeste wirtschaftliche Folgen, denn sie erhöht die Auswahl an gut qualifizierten Arbeitskräften. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaft haben LGBTQI+-Personen im Schnitt eine bessere Schul- und Berufsausbildung: Im Jahr 2020 hatten 60 Prozent von ihnen die (Fach-)Hochschulreife, im Vergleich zu 42 Prozent der heterosexuellen Menschen. 26,4 Prozent der LGBTQI+-Personen haben sogar einen Hochschulabschluss, während es im Rest der Bevölkerung nur 15,8 Prozent sind. „Nicht zuletzt sind LGBTQI übrigens auch Kundinnen und Kunden“, unterstreicht Ulrich – und die wenden sich sicher nur ungern an ein als intolerant verrufenes Unternehmen.

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