Wie kann CO2-Speicherung zur Klimaneutralität beitragen?
Die Abscheidung und Speicherung von CO2 spielt eine wichtige Rolle dabei, weltweit das Ziel der Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Doch einige Menschen haben Bedenken rund um die Technologie – aufgrund von Vorurteilen und Falschinformation. Wir räumen im Folgenden die wichtigsten Irrtümer aus.
Im Zuge der weltweiten Bestrebungen, bis zum Jahr 2050 das Ziel der Netto-Null-Emission zu erreichen, hat sich die CO2-Abscheidung und -speicherung (CCS) als eine der Schlüsseltechnologien zur Eindämmung des Klimawandels erwiesen. Führende internationale Organisationen, darunter die Internationale Energieagentur (IEA), sind zu dem Schluss gekommen, dass das Erreichen des Netto-Null-Emissionensziels ohne den Einsatz von CO2-Speicherung in großem Maßstab praktisch unmöglich ist. Darüber hinaus kann die Technologie dazu beitragen, die Prioritäten im „Energie-Trilemma“ – Klimaschutz, Energiesicherheit und Bezahlbarkeit – in Einklang zu bringen. Doch so vielversprechend CO2-Speicherung auch sein mag, es gibt immer noch eine Reihe von Irrtümern hinsichtlich der Leistungsfähigkeit und Sicherheit der Technologie, weswegen manche Menschen ihren Nutzen in Frage stellen. Im Folgenden gehen wir auf vier dieser Irrtümer ein und zeigen, warum CO2-Abscheidung und -Speicherung eine entscheidende Technologie ist, um die Welt auf einen nachhaltigen Entwicklungspfad zu bringen.
Irrtum Nr. 1:
CO2-Speicherung sei nicht sicher
CO2-Abscheidung und -Speicherung ist eine erprobte Technologie, die bereits seit über 40 Jahren kommerziell genutzt wird. Das norwegische Energieunternehmen Equinor verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung mit der Abscheidung und Speicherung von CO21 und ist derzeit an mehr als 40 derartigen Projekten auf der ganzen Welt beteiligt.2
Wissenschaftliche Studien und empirische Daten bestätigen, dass die unterirdische Speicherung großer Mengen CO2 praktikabel und sicher ist. Sie kann mit sehr geringem Risiko für die Umwelt erfolgen. Zudem deuten Forschungsergebnisse darauf hin, dass mehr als 98 Prozent des CO2, das in Regionen mit einer moderaten Anzahl an vorhandenen Bohrlöchern in geordnete Lagerstätten eingebracht wird, über 10.000 Jahre im Untergrund verbleibt.3
Darüber hinaus weist das Global CCS Institute darauf hin, dass zahlreiche, bewährte Überwachungstechnologien in der Lage sind, die CO2-Speicherstätte im Untergrund während des gesamten Lebenszyklus zu überwachen – vor, während und nach der Einspeicherung.4
Irrtum Nr. 2:
CCS sei zu teuer
In der Anfangsphase benötigen neue Technologien in der Regel staatliche Subventionen, um den für eine gewisse Skalierung benötigten Aufbau zu fördern. Beispiele dafür sind erneuerbare Energien wie Solar- und Windenergie, die die EU seit Jahren unterstützt. Bei CO2-Abscheidung und -Speicherung, mit deren Hilfe Emissionen schnell und in großem Umfang reduziert werden können, ist das nicht anders, und die daraus resultierenden Skaleneffekte werden die Kosten erheblich senken.6 Nach Angaben des Global CCS Institute dürfte eine Verdoppelung der Abscheidungskapazität in einer Anlage die Kapitalkosten nur um etwa 50 Prozent erhöhen.7
Nach Angaben des Global CCS Institute wurden im Jahr 2022 61 neue Anlagen zur Projektpipeline hinzugefügt, sodass derzeit insgesamt 30 CCS-Projekte in Betrieb, 11 im Bau und 153 in der Entwicklung sind.
Die CO2-Abscheidungskapazität aller in der Entwicklung befindlichen CCS-Anlagen ist auf 244 Millionen Tonnen pro Jahr gestiegen - ein beeindruckendes Wachstum von 44 Prozent in den letzten 12 Monaten (Oktober 2021 - Oktober 2022).8
Für einige wichtige Industriezweige ist CCS bereits eine kosteneffiziente Option zur Verringerung der Emissionen. Laut IEA ist CCS derzeit die einzige skalierbare Lösung zur Verringerung der Emissionen bei der Zementherstellung, wo zwei Drittel der Emissionen durch chemische Reaktionen im Zusammenhang mit der Erhitzung von Kalkstein und nicht durch die Verbrennung von Brennstoffen entstehen. Bei der Eisen- und Stahlherstellung sind CCS-basierte Produktionsverfahren derzeit die fortschrittlichsten und kostengünstigsten CO2-armen Optionen.10
Inzwischen schließt sich die Lücke zwischen den Kosten für den Erwerb von CO2-Emissionsrechten und den Kosten für den Einsatz von CCS, da die Kosten für CO2-Emissionen gestiegen sind. Die im Rahmen des Emissionshandels der EU gehandelten Emissionszertifikate liegen derzeit bei rund 80 Euro pro Tonne.11 Laut einer Reuters-Umfrage unter sechs Analysten sollen die EU-Zertifikate im Jahr 2023 im Durchschnitt 81 Euro pro Tonne CO2 und im Jahr 2024 94 Euro pro Tonne CO2 kosten.12 Dadurch wird CCS zu einer zunehmend rentablen Investitionsmöglichkeit.
Irrtum Nr. 3:
CCS sei lediglich eine kurzfristige Lösung
Die CCS-Technologie ist nachweislich eine langfristige Lösung, um CO2 aus der Atmosphäre zu extrahieren und sicher zu speichern. Der große Vorteil von CCS liegt in den enorm großen CO2-Mengen, die die Technologie bewältigen könnte.
Etwa 1.000 Jahre norwegischer CO2-Emissionen können potenziell unter der Nordsee gespeichert werden.13 Der Weltklimarat schätzt, dass die technische geologische CO2-Speicherkapazität weltweit in der Größenordnung von ca. 1.000 Gigatonnen liegt – wobei die regionale Verfügbarkeit geologischer Speicher ein begrenzender Faktor sein könnte.14 Das ist mehr als der Speicherbedarf, der bis zum Jahr 2100 benötigt wird, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.
Irrtum Nr. 4:
CCS sei lediglich eine Möglichkeit für Öl- und Gasunternehmen, weitere Förderung zu rechtfertigen
Dem jüngsten Bericht des Weltklimarats zufolge wird die im Pariser Abkommen festgelegte kritische Grenze für den Temperaturanstieg von 1,5 Grad Celsius bei den derzeitigen Emissionstrends irgendwann zwischen 2030 und 2052 überschritten werden.15
Dieser rasche Anstieg und die damit verbundene kürzere Zeitspanne bedeuten, dass alle verfügbaren Technologien zur Reduzierung des CO2 in der Atmosphäre, einschließlich CCS, eingesetzt werden müssen, um den globalen Temperaturanstieg innerhalb der Grenzen der Klimaziele zu halten. CCS ist weit davon entfernt, die Aufmerksamkeit von den Bemühungen zur Verringerung der CO2-Emissionen abzulenken, und stellt vielmehr eine notwendige Ergänzung zu den heutigen Strategien zur Verringerung der Emissionen dar.
Nach Angaben der IEA stammen rund 20 Prozent aller CO2-Emissionen aus wichtigen Industriezweigen wie der Zement-, Eisen- und Stahlproduktion, welche jedoch schwer zu dekarbonisieren sind. CCS ist praktisch die einzige technologische Lösung, um die Emissionen aus der Zementherstellung erheblich zu reduzieren. Sie ist in vielen Regionen auch der kosteneffizienteste Ansatz zur Verringerung der Emissionen in der Eisen-, Stahlindustrie und der chemischen Industrie.16
Die erste Phase des Northern Lights-Projekts vor der norwegischen Küste, das 2024 in Betrieb gehen wird, verfügt über eine CO2-Speicherkapazität, die den Emissionen von 750.000 Autos pro Jahr entspricht. Weitere vergebene Lizenzen vor der norwegischen Küste haben das Potenzial, die Speicherkapazität im nächsten Jahrzehnt um ein Vielfaches zu erhöhen.
Die Zero Carbon Humber-Partnerschaft von Equinor im Vereinigten Königreich zielt darauf ab, bis Mitte der 2030er Jahre an mehreren Standorten entlang der Humber-Mündung bis zu 17 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr abzuscheiden.
CCS ist kein Allheilmittel, aber es hat das Potenzial, erheblich zur Verringerung der CO2-Emissionen beizutragen. Und da die Zeit drängt, wird immer deutlicher, dass CCS notwendig ist, um das globale Ziel der Netto-Null-Emissionen bis 2050 erreichen zu können.