
Gamen für
Geflüchtete



Flucht ist kein Spiel – für mehr als 80 Millionen Menschen weltweit ist Flucht bittere Realität.
Ein Spiel kann allerdings einen Eindruck davon vermitteln, mit welchen Herausforderungen und Gefahren Geflüchtete tagtäglich zurechtkommen müssen, und einen Beitrag dazu leisten, Vertriebenen zu helfen.
Überall liegen Trümmer, Teile der Gebäudehülle sind eingestürzt. Nur Tafeln an der Wand und herumflatterndes Papier erinnern daran, dass das Bauwerk, durch das der Mann schleicht, einmal eine Schule war. Mirko ist im Schutz der Nacht unterwegs auf der Suche nach Lebensmitteln, Medikamenten und allem, was ihm beim Überleben im Krieg helfen könnte. Aus Angst, ausgeraubt zu werden, bleibt er bei seinen nächtlichen Streifzügen stets auf der Hut. Bei Tag würde er es niemals wagen, das Haus zu verlassen, weil rundherum Scharfschützen lauern.
Diese Szene ist keine reale. Sie stammt aus „This War of Mine“, einem Computerspiel. Ein etwas anderes Kriegsspiel, denn hier schlüpft der Spielende nicht wie üblich in die Rolle eines Soldaten oder Action-Helden, sondern in die eines Zivilisten. Sein einziges Ziel: Überleben – ohne Extraleben. Die Ereignisse im Spiel sind erfunden, fußen jedoch auf wahren Kriegserlebnissen.



„Unser damaliger Geschäftsführer Grzegorz Miechowski las die Memoiren von Menschen, die aus Sarajevo geflohen waren, und diese Geschichten inspirierten ihn“,
erzählt Konrad Adamczewski von 11 bit studios, der in Polen ansässigen Entwicklungsfirma, die das Spiel 2014 veröffentlichte. „Während der Produktion haben wir eine Menge Nachforschungen zu allen Aspekten der Kriegsrealität angestellt, und die meisten Spielmechanismen in ‚This War of Mine‘ basieren auf diesen Nachforschungen.“ Auch die Erfahrungen eines Mannes, der die Belagerung Sarajevos in den 1990er Jahren als Neunjähriger selbst miterlebt hatte, flossen mit ein.
Diese Realitätsnähe ist sehr lehrreich. Wer „This War of Mine“ spielt, erfährt viel über die Schrecken von Krieg und Flucht und was es heißt, tagtäglich um sein Leben zu kämpfen. Die polnische Regierung nahm das im vergangenen Jahr sogar zum Anlass, das Videospiel zur offiziellen Lektüre für Schüler zu ernennen – eine weitere Anerkennung, die sich in eine lange Riege aus über 100 Auszeichnungen einreiht. Der Bezug zur realen Situation von Flüchtlingen ist auch der Grund dafür, warum die UNO-Flüchtlingshilfe das Spiel für ihre Charity-Gaming-Kampagne #FluchtistkeinSpiel gewählt hat. Rund um den Weltflüchtlingstag am 20.6.2021 konnten es Interessierte ab 5 Euro kaufen. Der Erlös aus dem Verkauf ging in voller Höhe an den deutschen Partner des Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR und dessen weltweite Hilfsprojekte.
Das Entwicklerstudio mit Herz
„Wir bei 11 bit studios machen sinnvolle Spiele, die unkonventionelle Themen und zum Nachdenken anregende Ideen behandeln, und wir glauben, dass wir auch als Unternehmen sinnvoll handeln sollten“, beschreibt Konrad Adamczewski die Firmenphilosophie, die die Spieleentwickler antreibt. Neben dem Kreieren von ernsten Computerspielen mit ethischem Anspruch engagiert sich das Unternehmen daher auch regelmäßig für wohltätige Zwecke. Die Zusammenarbeit mit der UNO-Flüchtlingshilfe war für die Firma von Anfang an eine echte Herzensangelegenheit.
#Fluchtistkeinspiel
Mit „This War of Mine“ wurde dafür genau das richtige Spiel ausgewählt, findet Konrad Adamczewski von 11 bit studios: „In gewisser Weise ist es ein Spiel über Menschen und ihr Leid. Ein Flüchtling zu sein hat zwar nicht immer etwas damit zu tun, den Schrecken des Krieges zu entkommen, aber es hat immer etwas mit dem Leid der Menschen zu tun.“
Mit Bildung eine Zukunft schenken
Dass die Entwickler eine bombardierte Schule als einen Schauplatz für ihr Anti-Kriegsspiel wählten, ist kein Zufall. Nach wie vor sind Angriffe auf Schulen düstere Realität. Fast die Hälfte der Flüchtlinge weltweit sind unter 18 Jahre alt, und Krieg und Flucht bringt für viele dieser jungen Menschen auch den Verlust von Bildung mit sich. Selbst am Zufluchtsort bleibt die Schulbildung für geflüchtete Kinder und Jugendliche oft schwierig. 48 Prozent aller Flüchtlingskinder haben keine Möglichkeit, zur Schule zu gehen. Tendenz steigend, weil die Corona-Pandemie die Situation verschärft.
Dass die Entwickler eine bombardierte Schule als einen Schauplatz für ihr Anti-Kriegsspiel wählten, ist kein Zufall. Nach wie vor sind Angriffe auf Schulen düstere Realität. Fast die Hälfte der Flüchtlinge weltweit sind unter 18 Jahre alt, und Krieg und Flucht bringt für viele dieser jungen Menschen auch den Verlust von Bildung mit sich. Selbst am Zufluchtsort bleibt die Schulbildung für geflüchtete Kinder und Jugendliche oft schwierig. 48 Prozent aller Flüchtlingskinder haben keine Möglichkeit, zur Schule zu gehen. Tendenz steigend, weil die Corona-Pandemie die Situation verschärft.
Besonders für Mädchen wird sich daran wohl auch nach der Aufhebung der Corona-Beschränkungen wenig ändern: Nach Analysen der UNHCR-Daten muss man davon ausgehen, dass jedes zweite Flüchtlingsmädchen dann nicht mehr zur Schule gehen wird. Oft liegt es an den Kosten für Schule und Lehrmittel, die die Familien nicht mehr aufbringen können, weil sie ihre Einkommensmöglichkeit verloren haben. Zudem fehlt es häufig an der fürs Distanzlernen nötigen technischen Ausstattung.
So auch bei der 15-jährigen Nour, die mit ihrer Familie 2013 von Syrien nach Jordanien geflohen ist. Sie muss sich mit ihren vier Geschwistern ein Mobiltelefon teilen, um auf die von der jordanischen Regierung eingerichtete Online-Lernplattform zugreifen zu können. Streit, wer das Handy zum Lernen nutzen darf, ist an der Tagesordnung. Außerdem kann sich die Familie teures Extra-Datenvolumen nicht leisten. Nour konnte deshalb schon nicht an einem Online-Test teilnehmen, wie sie traurig erzählt:
„Sie schickten uns einen Link über Whatsapp, und wir mussten uns einloggen und die Fragen beantworten, aber ich konnte die Seiten nicht zum Laufen bringen.“
Ohne die umgerechnet 211 US-Dollar Unterstützung pro Monat vom UNHCR könnte die Familie Lebensmittel und Miete wohl kaum bezahlen. „Wir haben großes Glück. Einige unserer Nachbarn haben diese Unterstützung nicht und müssen wirklich kämpfen“, sagt ihr Vater Mustafa.

Darum, zur Schule gehen zu können, kämpft auch Parisa. Die heute 16-Jährige floh vor einem Jahrzehnt mit ihrer Familie aus Afghanistan nach Iran, nachdem die Taliban ihr Viertel in Herat terrorisiert hatten. Erst mit 11 Jahren hat sie zum ersten Mal ein Klassenzimmer betreten, und wenn sich nichts ändert, scheint bald ihr letzter Schultag gekommen zu sein. „Ich konnte in den letzten drei Monaten nicht arbeiten“, sagt ihr Vater Besmellah, ein Tagelöhner. „Parisa soll dieses Jahr in die siebte Klasse gehen, aber ich kann es mir nicht leisten.“ Besmellah hofft auf Arbeit. Sobald er wieder Geld verdient, wird er alles tun, damit seine Tochter weiter in die Schule gehen kann.
Verteilung der Schulbildung bei Flüchtlingskindern
Grundschule %- %Weiterführende
schule - %Studium
Das UN-Flüchtlingshilfswerk bemüht sich, Kindern wie Nour und Parisa den Schulbesuch zu ermöglichen. Denn Bildung ist ein Menschenrecht und unverzichtbar, um sich eine bessere Zukunft aufbauen zu können. Dabei geht der UNHCR unterschiedliche Wege, in der Corona-Pandemie auch zunehmend unkonventionelle.
So wie bei „Radio Gargaar“ im Flüchtlingslager Dadaab in Kenia. „Gargaar“ heißt auf Somali so viel wie „Hilfe“, und die kommt von Lehrerin Amina Hassan nun aus dem Radio. Statt vor rund 100 Kindern im Klassenzimmer in Dadaab zu stehen, sendet sie ihren Englischunterricht seit den pandemiebedingten Schulschließungen über den Äther. Bildungsunterstützung kann aber auch ganz anders aussehen, wie das vom UNHCR und Partnerorganisationen geleitete Projekt „Aula Movil“ (Mobiles Klassenzimmer) in Bolivien zeigt. Weil venezolanische Flüchtlings- und Migrantenkinder wegen Corona nicht zum Unterricht gehen können, kommt der Unterricht jetzt zu ihnen in Form von komplett in Schutzanzügen eingehülltem Lehrpersonal.

Solche Projekte sind nur dank der Spenden möglich, die die UNO-Flüchtlingshilfe erhält. Wenn Sie Flüchtlingskindern Bildung ermöglichen möchten, dann machen Sie mit: Für jeden gespendeten Euro legt das Educate-a-Child-Programm noch mal einen drauf.
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