Zoom-Meetings: Risiken und Lösungen für produktive Konferenzen
Müssen Firmen eigentlich Millionen in unproduktiven Meetings verbrennen?
screen art/Martin Warren
Video-Konferenzen steigern die Passivität und machen Meetings zur Verschwendung von Arbeitszeit. Die Autorin Ulrike Gehring geht in ihrem neuen Buch „Die Risiken der Zoom-Revolution“ den Gründen dafür nach und bietet praktische Lösungen.
Zoom, Teams & Co. sind zweifellos ein großer Schritt in ein Arbeitsverständnis der Zukunft. Mobil, flexibel, kostengünstig und der Kollege am Strand in Thailand kann auch mit dabei sein. Klingt großartig, doch auf den zweiten Blick sollten Unternehmen ihre Meetingkultur schnellstens anpassen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rhetorisch aufrüsten. Nur so lassen sich die veränderten Mechanismen von Konferenzen ohne dauerhafte Verluste auffangen. Das sagt die Filmproduzentin und Medientrainerin Ulrike Gehring in ihrem neuen Buch „Die Risiken der Zoom-Revolution“.
Dabei geht es nicht nur darum, dass Gesprächsrunden viel Zeit bei wenig Entscheidung vergeuden und diese Tendenz durch Remote steigt. Sondern es geht ihr auch um die veränderte Wahrnehmung für die einzelnen Teilnehmenden. Alle Voraussetzungen lassen sich in dem neuen Setup der Videokonferenzen mit dem passiven Verhalten von Fernsehzuschauern vergleichen. Als Filmjournalistin befasst sie sich seit Jahrzehnten mit Wahrnehmungsinstinkten und Rezipientenverhalten von Zuschauern vor dem Bildschirm. „Die Remote-Meetings verändern uns weit mehr, als es auf den ersten Blick scheint“, sagt die Kommunikationsexpertin. Unternehmenstreue etwa oder das Gefühl, in einem positiven Team mitzuwirken, eine starke Führung im eigenen Unternehmen wahrnehmen zu können, all das leidet unter der veränderten Wahrnehmung für die einzelnen Rezipienten vor dem Computerbildschirm. „Viele der aktuellen Buzzwords lassen sich ursächlich mit der Zoom-Revolution verknüpfen: Job Hopping, Mitarbeiter-Kritik an Führungsschwäche, Zoom-Fatigue logischerweise sowieso. Aber die Nebenwirkungen reichen bis hin zum Krankenstand“.
Die gute Nachricht: Es gibt reichlich Studien über die Befindlichkeit von Teilnehmenden der Remote-Konferenzen, einfach, weil es sehr leicht ist, sie über Zoom, Teams & Co entsprechend abzufragen. Die schlechte Nachricht: Die Ergebnisse sind desaströs. Da werden ziellose Gesprächsrunden attestiert, vergeudete Zeit, persönlicher Frust und gesundheitliche Belastungen. Laut Timeinvest verbrennt ein Unternehmen mit 1000 Mitarbeitern 5,7 Millionen € nur durch die unproduktiven Anteile von Meetings.
Zoom & Co.: Meeting 2.0 oder eher Zeitverschwendung 2.0?
Meetings an sich haben bereits den Ruf, Zeitfresser und Zeitverschwendung zu sein. Nicht ganz zu Unrecht. Man macht eben Meetings, weil man Meetings macht. Und wer dabei ist, ist auch irgendwie wichtig. Und im Umkehrschluss: Wer wichtig ist, muss auch eingeladen sein. Was in Präsenz schon ein Schlüssel zu Ineffizienz ist, wird durch die Digitalisierung noch gravierender. Denn die vielen Videokonferenz-Tools machen es verlockend einfach, Meetings aufzusetzen und schwupps, sind ganz viele per Klick dazu eingeladen. Die Runden werden groß, die Teilnehmerzahl unsichtbar und die Basis für echte Meinungsfindung schwindet. Um diesem lähmenden Nebeneffekt der neuen Konferenztechnik entgegenzuwirken, setzt Gehring in ihrem Buch auf ein gestärktes Bewusstsein der Teilnehmenden. “Zunächst gilt es, die geheimen Mechanismen am Konferenztisch kennen zu lernen. Erst wer diese Kräfte versteht, kann sehen, was mit der Zoom-Revolution alles verloren geht“, sagt sie. Die Filmfrau und Medientrainerin arbeitet in Rhetoriktrainings an „Leadership in Meetings“ und resümiert: Die wenigsten Mitglieder von Entscheidungsrunden sind sich ihrer Rolle in Meetings bewusst. Ihre repräsentative Stichprobe unter CEOs in Deutschland hat ergeben, dass zwischen deren Erwartung darüber, wie aktiv ihre Mitarbeitenden im Team ein Meeting mitgestalten und der Wirklichkeit eine große Lücke klafft.
Natürlich ist es schon in Präsenzmeetings so, dass sich immer dieselben zu Wort melden und die Analytischeren in der Runde eher einen Anschub brauchten – doch nach den Beobachtungen der Buchautorin verstärkt sich dieser Effekt in Videokonferenzen um ein Vielfaches.
screen art/Martin Warren
Das Remote-Meeting für Teilnehmende: Einladung zum (geistig) abschalten?
Andere Rahmenbedingungen erfordern radikales Umdenken und neue, andere Herangehensweisen. Das ist auch bei der Umstellung von Präsenz zu Remote so. Denn das Format funktioniert anders. Viele unbewusste Faktoren fallen weg. Ein Meeting auf dem Bildschirm funktioniert mit denselben Reizen – visuell und akustisch – wie das Fernsehen. Teilnehmende werden ein Stück weit zu Medienkonsumenten: Ist die laufendende Sendung langweilig, schaltet man gedanklich ab. Denn man kann ja nebenbei auf dem Smartphone lesen, Nachrichten schreiben, den Insta-Feed scrollen oder daddeln. Ton ausschalten, sich stummschalten und nebenher anderes machen, oder gleich mal die Kamera aus und was auch immer machen… Denn es fällt meist ja nicht weiter auf. Heftige Unterstellung, würden sicher manche jetzt sagen: Aber ob die Mitarbeitenden tatsächlich etwas anderes machen oder nur in dem Bewusstsein vor dem Laptop hocken, sie könnten es, ist für die Langzeitwirkung nahezu egal, sagt die Autorin. Der Zuschauer ist kein Teil der Veranstaltung. Er kann unbeteiligt beobachten, für sich bewerten, auswählen, wegzappen … jobhoppen.
Wer sich dennoch aktiv beteiligt, begibt sich plötzlich „on screen“, also auf den Bildschirm. Er oder sie wird für die Dauer ihres Wortbeitrages selbst zum Teil des TV-Programms. Das ist nicht jedermanns Sache. „Ich habe mit Arbeitnehmern gesprochen, die sagen einfach grundsätzlich nichts mehr in Videomeetings“, sagt die Autorin und warnt: „Hier verändern sich Gewichte innerhalb von Unternehmen. Und hier verkümmern Karrierechancen.“
Remote-Meetings lernen: Alle auf Sendung
Ineffiziente Meetings kosten Milliarden. Die Autorin, Regisseurin und Fernsehproduzentin Ulrike Gehring befasst sich seit vielen Jahren als Coach für Leadership in Meetings mit den oft unbewussten Mechanismen, nach denen Meetings funktionieren – oder eben auch nicht. In Ihrem neuen Buch „Die Risiken der Zoom-Revolution“ erläutert sie diese und liefert praktische Handreichung, wie Remote-Meetings keine Verschwendung von wertvoller Arbeitszeit werden, sondern ein Gewinn für das Unternehmen: Wie schafft man es, die Teilnehmenden aus der Zuschauer-Falle zu holen und sie zu aktiven Innovationsgestaltern zu machen?“
Die Fernsehfrau verfolgt dabei einen ungewöhnlichen, aber effektiven Ansatz: Die Autorin nutzt ihr Fernsehstudio in Frankfurt am Main als eine Art Konferenzlabor, in dem Sie mit Teams und Führungskräften in „Leadership in Meetings“ trainiert, wie man sich seiner Rolle in den geänderten Rahmenbedingungen bewusstwird, sie ausfüllt und mithilfe eines erweiterten rhetorischen Instrumentariums sein Potenzial voll ausnutzt. Dabei gibt die ehemalige Fernsehmoderatorin und Anchor-Woman auch ganz handfeste Tipps aus der Praxis.
„Sprachliche Beweglichkeit kann richtig Spaß machen, und wenn Menschen sich auf Meetings als Chance freuen können, mit anderen an einem Strang zu ziehen und Kräfte in eine Richtung zu bündeln, dann kann das eine fast sportliche Energie freiwerden lassen“, sagt sie. „Das sehen wir immer wieder. Wir begleiten die Gesprächsrunden mit vier Kameras, in der Analyse erleben sich die Teilnehmer der Runde dann von Außen“. Das sind Erkenntnisse, die einen den ganzen Berufsweg über begleiten können. Denn: Karrieren entstehen bisher noch am Konferenztisch. Die neuen Mechanismen sind gerade dabei, sich zu etablieren.
screen art/Martin Warren
Die Risiken der Zoom-Revolution (ISBN: 978-3-7693-1724-4) von Ulrike Gehring ist im BOD-Verlag erschienen und im Buchhandel als E-Book oder gedruckte Ausgabe erhältlich.
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