Wie SOS-Kinderdorf Kindern und Jugendlichen eine Stimme gibt
Jedes Kind hat ein Grundrecht auf Unversehrtheit, Bildung und eigene Meinung. So will es die UN-Kinderrechtskonvention von 1989. Doch wie steht es tatsächlich um die Kinderrechte in Deutschland und was tut SOS-Kinderdorf, um diese zu stärken? Erfahren Sie jetzt mehr.
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SOS-Kinderdorf e.V. | Maximilian Geuter
94 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen halten die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz für sinnvoll
Rund um das Thema Kinderrechte gibt es erhebliche Defizite. Das zeigt auch der Kinderreport des Deutschen Kinderhilfswerks aus dem Jahr 2022. Ein Großteil der Bevölkerung stellt der Politik ein gravierend schlechtes Zeugnis aus, wenn es um die Berücksichtigung der Interessen von Kindern und Jugendlichen geht. Lediglich 9 Prozent von ihnen und 16 Prozent der Erwachsenen geben an, dass die Politik die Interessen von Kindern und Jugendlichen in den vergangenen Jahren stark berücksichtigt hat. Zudem sind nur 10 Prozent der Kinder und Jugendlichen und 17 Prozent der Erwachsenen der Ansicht, dass genug Geld ausgegeben wird, damit Kinder und Jugendliche eine gute Zukunft haben.
Kinderrechte in Deutschland: Wie sieht die Lage wirklich aus?
Jedes 5. Kind in Deutschland gilt als arm. Das sind knapp 2,9 Millionen Kinder und Jugendliche.1
Über 59.900 Kinder und Jugendliche waren 2021 in Deutschland in ihrem Wohl gefährdet. 45 Prozent der gefährdeten Kinder und Jugendlichen wiesen Zeichen einer Vernachlässigung auf. Fast jedes zweite gefährdete Kind war jünger als acht Jahre alt (49 Prozent), jedes vierte betroffene Kind sogar jünger als vier Jahre (25 Prozent).2
2021 verließen rund 47.500 Schüler die Schule am Ende ohne Hauptschulabschluss. Das entspricht einem Anteil von 6,2 Prozent.3
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Kennen Sie alle Kinderrechte?
- Recht auf Gesundheit
- Krankheit und Leid sollen Kinder so selten wie möglich erfahren. Deshalb sichert die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen Kindern ein Recht auf die bestmögliche Gesundheit zu.
- Recht auf Bildung
- Jedes Kind hat ein Recht auf Bildung, unabhängig davon, wo ein Kind herkommt und in welchen Umständen es aufwächst. Denn nur durch Bildung kann sichergestellt werden, dass alle Kinder die gleichen Chancen für ihr weiteres Leben erhalten.
- Recht auf Gleichheit
- Kein Kind ist mehr wert als das andere. Deshalb legt die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen fest, dass alle Kinder ein Recht auf Gleichberechtigung haben. Das heißt, dass kein Kind aufgrund von beispielsweise seiner Herkunft oder seines Aussehens diskriminiert werden darf.
- Recht auf Mitbestimmung
- Kinder haben nicht nur ein Recht darauf, eine eigene Meinung zu haben, sie haben auch ein Recht darauf, dass diese Meinung gehört wird. Das Recht auf Mitbestimmung in der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen soll daran erinnern, den Willen von Kindern in Entscheidungen miteinzubeziehen.
- Recht auf Versorgung
- Jedes Kind braucht ein Dach über dem Kopf, ein Zuhause und etwas zum Anziehen. Das regelt das Kinderrecht auf Versorgung, von den Vereinten Nationen auch das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard genannt.
- Recht auf eigene Meinung
- Der eigene Kopf, die eigenen Ideen: Kinder haben Meinungen und ein Recht darauf, diese auch frei bilden und ausdrücken zu dürfen.
- Recht auf Schutz
- Jedes Kind hat ein Recht darauf, geborgen aufzuwachsen. Die Gesellschaft hat deshalb die Aufgabe, sie vor Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung zu schützen.
- Recht auf Freizeit
- Kinder brauchen Erholung: Deshalb gibt es das Kinderrecht auf Ruhe, Freizeit und Spiel. Das schließt auch ein, dass Kindern die Möglichkeit gegeben werden muss, am kulturellen Leben teilzunehmen.
- Recht auf Privatsphäre
- Auch Kinder dürfen Geheimnisse haben. Was in ihren Nachrichten steht oder was sich in ihren Zimmern verbirgt, geht zunächst einmal niemanden etwas an. Denn Kinder haben ein Recht auf Privatsphäre.
- Recht auf besondere Unterstützung von Kindern mit Behinderung
- Ein Recht hat die UN-Kinderrechtskonvention nur für Kinder mit geistigen oder körperlichen Behinderungen vorgesehen. Für sie gilt ein besonderer Schutz und ein besonderes Recht auf Unterstützung, damit sie ihr Leben genauso wie alle anderen Kinder gestalten können.

Foto: Pexels | Vanessa Loring
Wie sich SOS-Kinderdorf für Kinderrechte einsetzt
Die UN-Konvention über die Rechte des Kindes war ganz klar ein großer und wichtiger Schritt, denn mit dieser Konvention verpflichten sich die Länder, Kinderrechte zu stärken und zu schützen. Kinder bekommen durch sie eine eigene Stimme und einen Anspruch darauf, dass ihre Bedürfnisse gehört und berücksichtigt werden. Bis heute haben 196 Staaten die Kinderrechtskonvention unterschrieben – mehr als jede andere UN-Konvention.
Um die Welt für Kinder und Jugendliche fairer und sicherer zu machen, setzt SOS-Kinderdorf sich bereits seit über 60 Jahren für ihre Rechte ein. Dazu ist die Organisation weltweit vertreten und macht sich auch in Deutschland unter anderem mit folgenden Projekten für Kinderrechte und ihre Umsetzung stark:
Förderung benachteiligter Familien
Die Angebote von SOS-Kinderdorf helfen dabei, dass auch Kinder aus schlechter gestellten Haushalten eine glückliche Kindheit haben. So ist SOS-Kinderdorf in Bildungseinrichtungen zum Beispiel mit Schulsozialarbeit und Nachhilfe präsent, hilft mit Freizeit- und sozialen Angeboten und berät Eltern, damit sie Probleme und Krisen selbstständig lösen können.
Schutz von Kindern in Not
SOS-Kinderdorf macht sich stark, damit Kinder nicht in Angst leben müssen. In den SOS-Kinderdörfern, Wohngruppen und anderen stationären Einrichtungen finden Kinder, die ihr Elternhaus verlassen mussten, ein liebevolles neues Zuhause. SOS-Kinderdorf hilft zudem mit verschiedenen präventiven Angeboten, damit aus Familienkrisen erst gar keine Katastrophen werden müssen.
Kindern eine Stimme geben
SOS-Kinderdorf hört Kindern zu, setzt sich für ihre Bedürfnisse ein und wird politisch aktiv. Das Zentrum dieser Arbeit ist die Botschaft für Kinder in Berlin. Hier können junge Betreute ihre Anliegen nicht nur zum Ausdruck bringen, sondern ihnen auch Gehör verschaffen. Aber auch in den Einrichtungen selbst werden die betreuten Kinder und Jugendlichen direkt miteingebunden und haben die Möglichkeit, das Leben und den Alltag bei SOS-Kinderdorf aktiv mitzugestalten.
Interview | Gelebte Beteiligung bei SOS-Kinderdorf
Im SOS-Kinderdorf Saarbrücken leben acht Betreute zwischen 14 und 18 Jahren in einer Jugendwohngruppe. Sie werden hier auf ein eigenständiges Leben vorbereitet, wie Tanja Duttlinger vom SOS-Beratungszentrum Kinderschutz in Saarbrücken im Interview erklärt.
Warum ist Beteiligung für die Jugendlichen wichtig?
Die Menschen, die uns anvertraut sind, haben eine Stimme und sollen gehört werden. Die Kinder und Jugendlichen lernen dadurch, ihre Interessen wahrzunehmen und diese dann auch zu vertreten. Sie sollen erleben, dass sie ein Mitspracherecht haben und etwas verändern können. Das verhilft ihnen zu mehr Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl. Es bringt zudem einen präventiven Aspekt mit sich, da Kinder begreifen, dass sie sagen können, was ihnen gefällt und was nicht. Wenn dann andere Personen versuchen, Grenzen zu überschreiten, sind die Kinder dazu befähigt, sich selbst zu wehren und für Ihre Belange einzustehen. Beteiligung ist ein wesentlicher Bestandteil von Kinderschutz.
Wie können sich die Jugendlichen in den Einrichtungen von SOS-Kinderdorf aktiv beteiligen?
In den Jugendwohngruppen gibt es regelmäßig Runden mit allen Bewohnern, in denen die Jugendlichen den Betreuern mitteilen können, was ihnen wichtig ist, was sie gerne ändern würden und was sie sich wünschen. Dabei werden auch konkrete Gruppenregeln für die Beteiligung festgehalten. Unsere jungen Menschen haben zudem Bezugsbetreuer, an die sie sich wenden können, wenn etwas nicht gut läuft oder sie Sorgen haben. So können sich vor allem Jugendliche äußern, die sich nicht trauen, Dinge in der großen Runde anzusprechen. Außerdem haben die Betreuten die Möglichkeit, sich schriftlich und anonym über den Beschwerdebriefkasten zu beschweren.
Wie können Sie den Jugendlichen zu mehr Beteiligung verhelfen?
Wir unterstützen Kinder und Jugendlichen dabei, ihre Bedürfnisse zu erkennen und adäquat zu formulieren. Das ist teilweise ein längerer Prozess, der von Fachkräften begleitet werden muss. Dies geschieht im Alltag, zum Beispielbei der Planung des Mittagessens, Einkaufens oder der Wohnraumgestaltung, aber auch übergeordnet wie zum Beispiel beim Kinder- und Jugendrat von SOS-Kinderdorf. Zwei Jugendliche aus den Wohngruppen vertreten dort die Interessen der Kinder und Jugendlichen aus unserer Einrichtung. Eine Projektgruppe prüft zudem regelmäßig die Schutz- und Beteiligungskonzepte der Angebote auf Vollständigkeit.
Unterstützen Sie jetzt die Rechte von Kindern und Jugendlichen. Unterstützen Sie SOS-Kinderdorf.
1 Quelle: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) Antje Funcke, Sarah Menne: Factsheet Kinder- und Jugendarmut in Deutschland. 1. Auflage 2023
2 Quelle: Statistisches Bundesamt Deutschland: Pressemitteilung Nr. 340 vom 11. August 2022 | Kinderschutz: Kindeswohlgefährdungen bleiben auch 2021 auf hohem Niveau. Mehr Infos hier.
3 Quelle: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.): Dr. Klaus Klemm: Jugendliche ohne Hauptschulabschluss. Demographische Verknappung und qualifikatorische Vergeudung. 1. Auflage 2023