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Treiber für ein neues Verbraucherverhalten

Treiber für ein neues Verbraucherverhalten

Im Fachhandel wird zunehmend von den Verbrauchern nachgefragt, wie Produkte entstanden sind. Foto: iStock.com/Ozbalci

Auch die Verbraucher können Verantwortung für faire Arbeits- und Lebensbedingungen bei den Zulieferern übernehmen – doch bis dahin ist es noch ein langer Weg.

Von Torsten Holler

Das Umfeld formt den Menschen. So ist es Anna Noerpel ergangen. „Ich kann nicht mehr in ein Bekleidungsgeschäft gehen, ohne auf die Zertifikate zu schauen. Ich suche ganz bewusst Marken, die transparent darstellen, dass sie soziale und ökologische Verantwortung übernehmen.“ Noerpel arbeitet als IT-Managerin beim Outdoorspezialisten Vaude in Tettnang. Der Hersteller von Bekleidung und Accessoires im textilen Trekkingbereich ist Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit. Bereits 2008 begann Vaude, die Produktionsprozesse bis ins Detail transparent zu gestalten. Die über 40 Produktionspartner werden regelmäßig von der Fair Wear zertifiziert, einer unabhängigen Multistakeholder-Organisation, die sich weltweit für bessere Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie einsetzt. Das ermöglicht es, jederzeit die Arbeits- und Lebensbedingungen bei Zulieferern, die vornehmlich aus Asien kommen, im Blick zu behalten. „Damals hieß es noch: Der Verbraucher fragt nicht nach solchen Kriterien und ist vor allem nicht bereit, dafür mehr Geld auszugeben“, erinnert sich Vaude-Geschäftsführerin Antje von Dewitz an die Anfänge zurück.

Knapp 14 Jahre später hat sich der Wind gedreht. „Was anfangs als kostspielig und risikoreich erschien, hat uns als Marke gestärkt. Gerade im Fachhandel wird zunehmend gezielter von den Verbrauchern nachgefragt, wie die Produkte entstanden sind“, so Antje von Dewitz.

„Jeder Konsument muss zum bewussten Verbraucher werden, damit unsere Erde mit ihren endlichen Ressourcen auch für alle nachfolgenden Generationen ein lebenswerter Ort ist und wir weiter ein gutes Leben auf diesem Planeten führen können“, sagt die Managementtrainerin Solvig von Günther von Creative Power Office, die als Coach für Nachhaltigkeit derartige Prozesse in Unternehmen begleitet.

Für Kai Dräger, der 2015 in Berlin seine Gewürzmanufaktur Spicebar gründete, war die Kommunikation der Arbeitsbedingungen integraler Bestandteil seiner Firmenphilosophie. „Wir haben Verantwortung für bis zu 100 Arbeitskräfte in Nepal, Kambodscha, Indien, Peru und Ecuador, wo wir unsere exotischen Gewürze beziehen. Im Kambodscha etwa haben wir pro Kilo Gewürz einen Dollar in den Bau einer Schule investiert. Damit verhindern wir, das die Familien aus alter Tradition heraus in der Hochsaison die Kinder mit zur Ernte nehmen.“ Noch können das Verbraucher nur auf der Website des Unternehmens verfolgen, doch Dräger ist  bereits mit den Handelsketten in Gesprächen. „Wir würden dieses Thema gerne per QR-Code auf unseren Verpackungen dokumentieren. Denn viele Verbraucher wissen immer noch nicht, was hinter unseren Produkten steckt“, erklärt der Unternehmer.

Statt der Verbraucher soll es der Staat richten

Trotz der Eigeninitiative von vielen Unternehmen sehen Branchenverbände zuerst den Staat in der Pflicht. „Die einen Verbraucher sind stärker von ethischen Fragen getrieben, andere kaufen eher, ohne sich darüber groß Gedanken zu machen. Entscheidend ist: Der Staat in den Produktionsländern muss menschenrechtskonforme Rahmenbedingungen setzen, auf die sich der Käufer verlassen kann. Die Wirkung von Konsumverzicht ist begrenzt“, sagt Christoph Kannegießer, Hauptgeschäftsführer des Afrika-Vereins der Deutschen Wirtschaft e.V.

Auch Kathrin Krause, Expertin für nachhaltigen Konsum beim Verbraucherzentrale Bundesverband, sieht die Verbraucher nicht unbedingt in der Pflicht. „Es ist nicht ihre Aufgabe beim Einkaufen, die Welt zu retten. Siegel und Kennzeichnungen sind wichtig für die Orientierung. Aber Verbraucher haben auch hohe Erwartungen an nachhaltige Produkte, die nicht durch Siegel gelöst werden können.“ Allein ein Herrenhemd habe über 160 Produktionsschritte. Das könne kein Siegel für jeden einzelnen Produktionsschritt leisten, da brauche es gesetzliche Standards für nachhaltige Produktion, sagt die Verbraucherschützerin „Sinnvoller wäre es zudem, den Dschungel der vielfältigen Siegel zu lüften, damit wenige glaubwürdige Siegel wirklich Orientierung geben.“ Krause sieht neben dem Gesetzgeber auch die Werbebranche in der Pflicht. „Es sollte geregelt werden, wie Werbeaussagen zu Nachhaltigkeitsversprechen aussehen sollten. Claims müssen evidenzbasiert sein.“

Mitarbeiter als Multiplikatoren nachhaltiger Themen

Das fordert Widerspruch heraus. Die Verantwortung für faire Arbeits- und Lebensbedingungen bei Zulieferern sieht Eva Stüber, Mitglied der Geschäftsleitung am Institut für Handelsforschung Köln, nicht allein beim Staat. „Es darf nicht alles auf ihn abgewälzt werden. Gerade die Digitalisierung kann für mehr Transparenz in den Produktionsabläufen sorgen. Und in Zeiten der Corona-Pandemie ist das Bewusstsein nach Herkunft und Produktionsbedingungen noch einmal weiter gestiegen“, erklärt Stüber. Natürlich brauchten solche Entwicklungen Zeit. Immerhin beschäftigten sich Konsumentinnen und Konsumenten schon seit den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts mit dem Thema, als die sogenannte Öko-Bewegung entstanden sei, gibt sie zu bedenken.

Als Treiber des geänderten Verbraucherverhaltens sehen sowohl Eva Stüber als auch Antje von Dewitz die Generation Friday for Future. „Sie stellen kritischere Fragen und diskutieren radikaler mit ihren Eltern. Und längst geht es dabei nicht nur um nachhaltige Textilien oder Lebensmittel, sondern beispielsweise auch um Möbel und Einrichtungsgegenstände“, so Stüber. „So müssen sich auch die vorhergehenden Generationen zwangsläufig  mit solchen Themen wie Menschenrechten und Arbeitsbedingungen auseinandersetzen.“ Die Familienunternehmerin Antje von Dewitz sieht auch die Mitarbeiter in Unternehmen als Multiplikatoren. „Wir legen großen Wert darauf, dass alle Mitarbeitende sich bei diesen Themen einbringen können und wir uns abteilungsübergreifend damit auseinandersetzen. Mitarbeitende, die mitgestalten und positive Veränderungen erleben, treten auch im privaten Umfeld für diese Werte ein.“ Dennoch spürt von Dewitz immer noch Abwehrmechanismen durch Lobbyisten, die möglichst alles beim Alten und den Verbraucher im Unklaren lassen wollen. So wird es noch eine Weile dauern, bis die Verbraucher in großem Maße darauf Einfluss nehmen, unter welchen Bedingungen in einer globalen Welt produziert wird.  

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