Betriebe haben zahlreiche Möglichkeiten, Vermögen zu monetarisieren
Wenn Geschäftsumsätze wegbrechen und das Geld knapp wird, müssen Unternehmen dringend handeln. Dr. Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale (Helaba), nennt Wege aus der Liquiditätskrise.
Quelle: Sparkasse
Um kurzfristig Liquiditätsengpässe zu überbrücken, stoppen betroffene Unternehmen in der Krise Investitionen. Ist das ratsam?
Ja, wenn es bei den Investitionen darum geht, in Erwartung eines steigenden Geschäftsvolumens die Kapazitäten zu erweitern oder neue Märkte zu erschließen. Im Angesicht der Rezession wäre der Return on Invest sonst gefährdet. Investitionen in prozessuale Verbesserungen, Modernisierungen oder Automatisierung dürfen aber nicht allzu lange hinausgeschoben werden. Fehlende Wettbewerbsfähigkeit führt heute sehr schnell zu Auftragsverlusten und einer nachhaltigen Gewinnerosion.
Sind Förderkredite eine nachhaltigere Lösung? Die Unternehmen verschulden sich doch dabei.
Für Unternehmen, die bereits vor der Krise eine angespannte Bilanz mit hohen Verbindlichkeiten aufwiesen, kann das tatsächlich sehr problematisch werden. Aus gutem Grund hat der Bund solche Betriebe von der Förderung ausgeschlossen. Bisher gesunde Gesellschaften kommen mit dem wirtschaftlichen Stillstand jedoch ebenfalls zunehmend in Liquiditätsschwierigkeiten. Diese sind wesentlich häufiger Ursache von Insolvenzen als eine Überschuldung. Insofern ist die Verschuldung das kleinere Übel.
Dr. Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale (Helaba) Quelle: Helaba
Was empfehlen Sie Betrieben noch, um ihre Liquidität in der Krise zu sichern?
Da gibt es eine Fülle von Möglichkeiten, aus denen Unternehmen mit ihrem Sparkassen-Berater ein Konzept für ihre spezifische Situation entwickeln sollten. Naheliegend sind zunächst einmal der Ausschüttungsverzicht, der Antrag auf Kurzarbeitergeld und der Rückgriff auf bestehende freie Kreditlinien, was ja bereits hinlänglich praktiziert wird. Darüber hinaus können sich kleine und mittelständische Unternehmen um die Einrichtung neuer Darlehen bemühen. Als Injektionen von außen kommen auch frisches Eigenkapital oder nachrangiges Fremdkapital von Eigentümern oder auch Beteiligungsgesellschaften in Frage.
Welche innerbetrieblichen Optimierungsoptionen gibt es?
Betriebe haben zahlreiche Möglichkeiten, vorhandenes Vermögen zu monetarisieren, ohne einen innerbetrieblichen Shutdown zu riskieren. Man kann Sachanlagen mieten statt kaufen. Mit Hilfe von Leasinggesellschaften lassen sich auch bereits vorhandene Anlagen verkaufen und zurückmieten, das sogenannte „Sale and lease back“. Moderne Instrumente wären die Fremdvergabe von Fuhrpark- oder Lagermanagement beziehungsweise Betreibermodelle, bei denen beispielsweise die Maschinennutzung nach Arbeitsstunden oder Ausstoß bezahlt wird („Pay per Use“).
Liquiditätssicherer fährt auch der durch die Krise, der über einen Factoring- oder Reverse-Factoring-Rahmenvertrag verfügt. Damit lassen sich Forderungen schnell zu Geld machen und eigene Zahlungsfristen mit Hilfe von Zwischenfinanzierern verlängern. Natürlich kann auch ein Gespräch mit Lieferanten oder Vermietern über eine vorübergehende Änderung der Zahlungsmodalitäten helfen. Und, als Ultimo Ratio, die Einbindung der Belegschaft in die gemeinsame Krisenbewältigung.
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Die Einnahmen brechen weg, aber die Kosten laufen weiter? Abwarten ist für Mittelständler keine Option. Stattdessen ist entschlossenes Liquiditätsmanagement gefragt. Diese Maßnahmen helfen in Krisen liquide zu bleiben.
(Quelle: Sparkasse)
In manchen Branchen sind die Umsätze wegen der Corona-Pandemie komplett weggebrochen, andere Branchen kämpfen mit einer stark verringerten Nachfrage. Doch davon nahezu unbeeindruckt laufen die Kosten auf: Gehälter, Mieten und Leasingraten, Rechnungen von Lieferanten oder Nebenkosten, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Können diese Verpflichtungen nicht beglichen werden, droht die Zahlungsunfähigkeit.
Abwarten, bis der Corona-Spuk vorbei ist – das ist für betroffene Unternehmen keine Option. Stattdessen ist entschlossenes Liquiditätsmanagement gefragt. Ziel sollte sein, schnell Maßnahmen zur Liquiditätssicherung zu ergreifen.
Neun Adhoc-Maßnahmen für die erste Hilfe
1. Verschaffen Sie sich einen Überblick
Als Basis für alle weiteren Schritte zur Liquiditätssicherung braucht es zunächst eine belastbare Darstellung über die aktuelle Lage: Wie sieht der Cash Flow aus? Welche Forderungen sind offen? Welche Reserven gibt es?
2. Schieben Sie Steuerzahlungen auf
Auf Antrag beim zuständigen Finanzamt können Ihre Steuerzahlungen für eine gewisse Zeit zinsfrei gestundet werden. Bis 31. Dezember 2020 können Sie diese Stundung beantragen. Außerdem können Unternehmen mit dem Finanzamt eine Anpassung von Vorauszahlungen auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer abstimmen. Zwar werden diese Zahlungen später dennoch fällig - kurzfristig verbessern sie aber den finanziellen Handlungsspielraum.
3. Lassen Sie Sozialversicherungsbeiträge stunden
Stunden lassen können Sie auch Sozialversicherungsbeiträge für Angestellte. Derzeit fallen hier keine Stundungszinsen für Arbeitgeber an.
4. Vereinbaren Sie Teilzahlungen
Auch mit Lieferanten, Vermietern oder anderen Gläubigern lässt sich vielleicht ein späterer Zahlungstermin beziehungsweise eine Teilzahlung vereinbaren.
Wer üblicherweise ein verlässlicher Geschäftspartner ist, kann auf ein Entgegenkommen hoffen.
Können Sie Ihre Aufträge aufgrund von Lieferengpässen oder Ähnlichem nicht termingerecht erfüllen, ist auch hier eine transparente Kommunikation wichtig. Informieren Sie Ihre Kunden über Verzögerungen, damit Ihnen keine Zusatzkosten entstehen.
5. Verkaufen Sie Forderungen
Optimieren Sie Ihr Forderungsmanagement: Verkaufen Sie fällige Rechnungen, deren Begleichung auf sich warten lässt, an spezialisierte Dienstleister wie die Deutsche Factoring Bank. Vorteil: Sie können die offenen Posten sofort fakutrieren und so ihre Liquidität erhöhen. Diese Form der Forderungsverwertung wird auch Factoring genannt.
6. Prüfen Sie Möglichkeiten der Kurzarbeit
Haben Ihre Mitarbeiter krisenbedingt weniger zu tun, sollten Sie prüfen, ob Kurzarbeit in Frage kommt. Dieses Instrument greift in der Krise, wenn mindestens zehn Prozent der Belegschaft vom Arbeitsausfall betroffen sind. Einen bestimmten Prozentsatz des Gehalts übernimmt in diesem Fall die Bundesagentur für Arbeit. Sie als Unternehmer werden von den Personalkosten entlastet und haben den Vorteil, dass Ihnen die Mitarbeiter erhalten bleiben. So können Sie die Produktion schnell wieder hochfahren, sobald sich die Auftragslage bessert. Wie Sie Kurzarbeit beantragen, erfahren Sie bei der Arbeitsagentur.
7. Streichen Sie verzichtbare Ausgaben
Prüfen Sie außer den Personalkosten weitere Ausgaben: Welche lassen sich kurzfristig reduzieren oder komplett streichen?
8. Verschieben Sie Investitionen
Auch geplante Investitionen gehören im Rahmen des Liquiditätsmanagements in der Krise auf den Prüfstand. Welche lassen sich verschieben? Was sollte trotz des Liquiditätsengpasses nach Möglichkeit weiterlaufen? Wer jetzt zum Beispiel sämtliche Digitalisierungsvorhaben einfriert, setzt die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit seines Unternehmens aufs Spiel. Auch weil die Corona-Krise das Konsumverhalten der Menschen verändert. Neue digitale Kanäle, Prozesse oder Services können dabei helfen, während und nach der Krise neue Kunden zu gewinnen oder in neue Märkte vorzustoßen.
9. Nutzen Sie Förderkredite
Neben einer kurzfristigen Erhöhung Ihres Kreditrahmens können Sie Förderkredite der KfW und/oder Soforthilfen von Bund und Ländern nutzen, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken und die Zahlungsfähigkeit zu sichern.
Für den KfW-Schnellkredit werden keine Risikoprüfung und keine Prognose zur Zukunft des Kreditnehmers verlangt. Um andere KfW-Kredite zur Corona-Hilfe zu beantragen, ist unter anderem eine Liquiditätsplanung für die kommenden zwölf Monate Voraussetzung.
Erfahren Sie hier alles über die Förderkredite in der Corona-Krise.
Zusätzliche Optionen
Leasing statt Besitz
Als weiteren, eher mittel- bis langfristig wirksamen Schritt in Ihrem Liquiditätsmanagement sollten Sie schauen, welche Güter Ihr Unternehmen tatsächlich besitzen und welche es besser leasen sollte. Bei „Sale and lease back” verkauft ein Unternehmen Investitionsgüter an eine Leasinggesellschaft und least sie dann zurück.
Der Vorteil: Wer Fahrzeuge, Maschinen oder IT nicht kauft, sondern least, reduziert seine Verbindlichkeiten und stärkt die Eigenkapitalquote. Eine Anzahlung ist nicht nötig, nur die monatliche Leasingrate fällt an. Weitere Informationen und Beratung zum Thema bietet die Deutsche Leasing.
Szenarien entwickeln
Zu einem professionellen Liquiditätsmanagement gehört, für alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Nach der Corona-Krise wird das umso wichtiger sein. Die Planung von Szenarien, das sogenannte Contingency Planning, hilft, auf veränderte Rahmenbedingungen schnell reagieren zu können. Der Fokus liegt dabei auf der Liquidität, um die Handlungsfähigkeit jederzeit zu erhalten.
Geschäftsmodell hinterfragen
Nach Corona wird vieles anders sein als vor der Krise: Die Kunden sind über Nacht digitaler geworden, neue Märkte entstehen, Wettbewerber holen auf. Zeit, das eigene Geschäftsmodell ehrlich zu hinterfragen. Informieren Sie sich darüber, welche Chancen eine Restrukturierung Unternehmen bieten kann.
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